Ende August / Anfang September bin ich für zwei Wochen mit einer Gruppe der Steuerberatungsgesellschaft con.tax aus Großwallstadt in Tansania unterwegs. Diese Firma unterstützt seit vielen Jahren die AMANI Schule in Morogoro mit monatlichen Spenden, die sieben Teilnehmer, unter ihnen mein Cousin Bruno, möchten sich vor Ort dieses Projekt ansehen. Der Gruppe hat sich auch mein Bruder Rudi angeschlossen, für ihn ist es die erste Reise nach Tansania, karibuni sana.
Die Gruppe begann ihre Reise mit einer 4-tägigen Tour im Nyerere Nationalpark (früher Selous Park), dem größten Park in Afrika.
Ihre Safari war beeindruckend, jedenfalls waren sie begeistert, als Baltasar und ich sie am Dienstag in Morogoro „übernommen“ haben.
Die 2-stündige Fahrt von Morogoro nach Turiani verlief gut. Da die AMANI Schule auf dem Weg liegt haben wir dort einen kurzen Zwischenstopp eingelegt. Es war bereits später Nachmittag, deshalb waren nur die boarding SchülerInnen da, die uns aber einen herzlichen Empfang bereitet haben.
Die Safarigruppe hatte einen anstrengenden Tag mit einer langen Fahrt hinter sich, als wir im Hotel in Turiani angekommen sind. Das gute Essen (kuku makange) und natürlich das Bier („ kilimanjaro baridi sana“) haben sie genossen.
Turiani liegt in einer ländlichen Gegend in den Uluguru Bergen, sie ist eine typisch tansanische Kleinstadt mit ca. 12.000 Einwohnern. Die Stadt ist eines der landwirtschaftlichen Zentren, es gibt genügend Wasser und sehr fruchtbaren Boden. In der Ebene wird auf großen Feldern Reis und Zuckerrohr angebaut, davon leben hier die meisten Menschen. Der größte Arbeitgeber ist die Mtibwa Sugar Company mit einem großen Werk zur Zuckergewinnung, das wir besichtigen konnten. Die beeindruckende Verarbeitungsmaschine hat riesige Ausmaße, sie ist mehr als 200 m lang und stammt noch aus den 60er Jahren, es ist ein industrielles Fossil. Vorne kommt Zuckerrohr hinein, der durch die Maschine läuft, um am Ende als brauner Zucker herauszukommen. Bei diesem Prozess zischt, scheppert und kracht es, heißer Dampf tritt aus – diese Arbeitsbedingungen wären bei uns nicht mehr erlaubt.
Bei einem Besuch in der Diongoya Secondary School konnten die Gruppe die Bedingungen an einer staatlichen Schule kennenlernen, die nicht vergleichbar sind mit unseren Schulen daheim. Der Unterricht ist ganztags von 8:00 – 16:00. In den Klassen sitzen über 40 Schüler, die Tafeln sind schwarz gestrichene Betonwände, die Ausstattung mit Möbeln und Unterrichtsmaterialien ist sehr einfach. Dafür ist die Motivation der meisten SchülerInnen sehr hoch, denn es ist ihnen klar, dass nur eine gute Bildung zu einem besseren Leben führen kann. Es gibt in allen Jahrgangsstufen Abschlussprüfungen, wenn man die nicht schafft, gibt es kein Vorrücken.
Einer der Hauptgründe für die Reise war der Besuch im AMANI Center, denn die Gruppe unterstützt diese Einrichtung für behinderte Kinder seit mehreren Jahren durch regelmäßige Spenden. Hier werden aktuell 93 SchülerInnen im Alter von 3 – 15 Jahren unterrichtet. Da die Mehrzahl von ihnen taubstumm sind lernen alle Kinder die Gebärdensprache, die 14 Lehrer müssen diese natürlich auch beherrschen. Der Besuch war sehr beeindruckend.
Ein Kurzbesuch in einem Sägewerk für Teakholz hat uns gezeigt, wie gut bei uns die Arbeitsbedingungen sind. Hier wird barfuß, ohne Gehör- oder Staubschutz und ohne Schnittschutz an den Sägeblättern gearbeitet.
Unsere Frauen haben sich erfolgreich in den Arbeitsprozess eingegliedert, die Freude bei den TansanierInnen war groß, als sie versucht haben, die Abfallbretter auf dem Kopf - was für die Frauen hier normal ist - weg zu tragen, geschmeidig sieht anders aus.
Danke an Baltasar Temu, dass er uns diesen schönen Aufenthalt hier ermöglicht hat.
Für die Fahrt zurück nach Dar es Salaam erwartete uns am Freitag ein neues Erlebnis! Seit einigen Monaten ist die erste reguläre Bahnstrecke zwischen Morogoro und Dar in Betrieb. Anstatt mühsam die 250 km lange Strecke im Bus oder Auto zu fahren, gibt es eine Zugverbindung. Auf der Straße benötigt man für diese Strecke zwischen 4-6 Stunden, je nach Verkehr, mit dem Zug nur 1,5 Stunden und dazu auch noch bequem. Die Waggons kommen aus Deutschland, die Lokomotiven aus Südkorea.
Kein Vergleich mit unserer DB! Denn jeder hat einen Sitzplatz, wenn alle verkauft sind, kann man nicht mehr mitfahren. Wenn die jetzt gut gepflegt werden, ist das ein enormer Schritt vorwärts für das Land. Weitere Strecken sind bereits im Bau, bzw. geplant.
Da wir nicht wie üblich erst gegen Spätnachmittag, sondern bereits am Vormittag in Dar es Salaam angekommen sind konnten wir uns noch einen schönen Tag bei einem guten Essen am Meer in Dar gönnen, das ist Luxus!
Gestärkt durch ein gutes Frühstück im BML Highway Hotel starteten wir unsere Fahrt um 9:00 Uhr in Dar es Salaam, Etappenziel ist Kilwa Masoko, 343 km von der Haupstadt entfernt. Geplant waren vier Stunden, es wurden siebeneinhalb! Alleine für die 20 km um aus der Stadt zu kommen haben wir mehr als eine Stunde gebraucht. Es ist ein unbeschreibliches Chaos, kreuz und quer kommen die Fahrzeuge. Die Kleinbusse wechseln ständig die Spur und versuchen jede Lücke auszunutzen, egal ob sie dadurch den ganzen Verkehr aufhalten oder nicht. Die Fahrer der großen LKWs wissen, dass keiner gegen sie ankommen kann und biegen ab oder kreuzen wann sie wollen, die anderen müssen einfach warten. Als wir dann aus der Stadt draußen waren, konnten wir aber auch nicht zügig fahren, die schlechten Straßen mit vielen Schlaglöchern machen das unmöglich. Zudem sind im Frühjahr durch eine große Überschwemmung fast alle Brücken über den Rufiji beschädigt oder ganz weggespült und nur notdürftig repariert worden, es war teilweise nur Schritttempo möglich. Wir waren sehr erleichtert endlich im Hotel in Kilwa angekommen zu sein. Dort wurden wir durch ein Bad im Meer für unsere Strapazen entschädigt.
Die Seafood Platter („Fisch Schnippelplatte“) zum Abendessen war grandios!
Die zweite Etappe nach Mtwara war in etwa genauso lang wie am Tag vorher und wir brauchten auch wieder ungefähr die gleiche Zeit, allerdings mit einem Zwischenstopp zur Besichtigung der Ruinen von Kilwa Kivinje. Der Ort war ein wichtiges Handels- und Verwaltungszentrum der Ostafrikanischen Gesellschaft während der deutschen Kolonialzeit im 19. Jahrhundert. Es sind nur noch wenige Ruinen zu sehen.
Heute ist hier ein Dau Hafen, die Afrikaner haben den Platz für ihre Aktivitäten eingenommen, sie sind uns sehr freundlich begegnet, wir haben uns gut unterhalten.
Über diese äußerst unrühmliche Periode deutscher Anwesenheit in Afrika habe ich bereits in meinem Reisebericht im November geschrieben. Auch hier in Kilwa gab es ein Massaker von deutschen Besatzern an der afrikanischen Bevölkerung. Nachdem man mit dem (unfairen) Handel von Waren wie Elfenbein, Sisal u.a. das Land ausgebeutet und den Wohlstand von Hafenstädten wie Hamburg begründet hatte, wurden die Aufstände der Einheimischen am Ende noch mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Unser afrikanischer Begleiter Baltasar hat uns gefragt, wie wir uns dabei fühlen hier vor Ort zu sein und ich kann sagen, dass wir wirklich betroffen waren und sind. Was hier geschehen ist, ist sicher kein Ruhmesblatt in unserer deutschen Geschichte und wird noch Konsequenzen haben (siehe Reisebericht November 2023).
Am späten Nachmittag sind wir im Gästehaus der Benediktiner angekommen, ein erfrischendes Bad im Indischen Ozean entschädigte uns auch diesmal von der langen Reise. Meer ist einfach schön.
Es war mir eine große Freude, dass mein Freund Fr. Christian wegen uns seinen Zeitplan geändert hat um uns treffen zu können. Er ist inzwischen Abt der Missionsbenediktiner in Ndanda und da auch sein Bruder Baltasar mit unserer Gruppe unterwegs war konnten wir gemeinsam einen schönen Abend verbringen, danke dafür.
Mtwara ist die Stadt, in der unsere Kinderhilfe Tansania mit unserem Engagement in Ostafrika begonnen hat. In diesem Jahr ist es 30 Jahre her, dass unsere Schwester Lissi tödlich verunglückt ist, was der Anlass war unsere Hilfsorganisation zu gründen (siehe Entstehung). Wir konnten in dieser langen Zeit hier viel bewirken, dies hat in all den Jahren dazu beigetragen, den Verlust positiv zu verarbeiten und zu ertragen.
Die drei Tage in Mtwara begannen mit einem wunderbaren Morgenrot, das verspricht eine schöne Zeit hier.
Auf unserem Terminplan standen Besuche in verschiedenen Kindergärten. Obwohl alle Schulen seit Montag zwei Wochen wegen der „midterm holidays“ geschlossen sind, haben die Erzieherinnen wegen unseres Besuchs zwei Tage auf ihre Ferien verzichtet, vielen Dank dafür! Außerdem haben wir das UPENDO Cehab Center besucht, eine integrative Einrichtung in der Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen zusammen unterrichtet werden und leben. Fr. Fulbert, der Pfarrer der Pfarrei St. Paul in Majengo hat uns bei allen Besuchen begleitet. Für mich gab es noch einen wichtigen Termin mit dem Bischoff von Mtwara, mehr dazu später.
Da die Flutzeiten gerade sehr günstig liegen (man kann in Mtwara bei Ebbe nicht schwimmen) begannen unsere Tage mit Baden im Meer, ein Luxus, den wir gerne mitgenommen haben. Am Strand war wegen den Ferien jeden Tag Betrieb. Die Freizeitsportler kommen aber sowieso jeden Tag hierher, um ihre Fitness zu trainieren. Wazungu (Weiße) sind dabei immer willkommen und werden zum Mitmachen eingeladen.
In der Pfarrei St. Paul in Mtwara begann unser humanitäres Engagement in Tansania, wir hatten zu Beginn dort acht Kindergärten, heute betreiben wir noch sieben, der Kindergarten in Chumvini wurde von der Regierung übernommen. In den letzten Jahren ist die Kinderzahl zurückgegangen, da zum einen jede Grundschule eine Vorschule einrichten muss und zum anderen immer mehr private Einrichtungen gegründet werden. Die Vorschulen sind kostenlos, sie sind meist stark überfüllt und haben selten ausgebildetes Personal. Die privaten Einrichtungen verlangen monatliche Gebühren, so wie wir auch, aber das Personal ist auch nicht unbedingt ausgebildet, viele Betreiber stellen nicht die pädagogische Tätigkeit in den Vordergrund, sie wollen damit Geld verdienen.
In der Kürze der Zeit haben wir unsere Besuche auf vier Kindergärten beschränkt, die Eindrücke waren aber sehr positiv. Unterrichtet wird nach der Montessori Pädagogik (s. Pfarrei St. Paul), die Kinder lernen spielerisch lesen, rechnen und schreiben, sowie Grundlagen der englischen Sprache.
Obligatorisch ist die tägliche warme Mahlzeit, es gibt Uji (Maisbrei), der mit etwas Zucker schmackhaft gemacht wird, ab und zu gibt es mboga dazu (Gemüse). Hier einige Eindrücke unseres Besuchs
Die Kinder sind unsere Besuche gewöhnt, sie haben keine Berührungsängste, sie freuen sich mit uns zu spielen, vor allem die Digitalfotos sind beliebt.
Der Kindergarten St. Elisabeth gehört auch zur Pfarrei St. Paul, er wurde Mitte der 90er Jahre erbaut und 1998 eingeweiht. Damals lag er mitten in den Slums von Mtwara („mtenga la maji“ = „Sumpfgebiet“). Er wurde nach unserer Schwester Elisabeth benannt, zu deren Beerdigung wir statt Blumen und Kränzen lieber Geld für Kinder in Tansania wollten. Inzwischen hat sich auch in Tansania zum Glück vieles weiterentwickelt. Die Slums mussten dem wachsenden Hafen weichen, der Kindergarten liegt jetzt an einer viel befahrenen Straße, es wohnen nur noch wenige Menschen in der Umgebung, somit wird er auch nur noch von wenigen Kindern besucht. Bereits bei unserem Besuch im letzten Jahr haben wir über eine mögliche Schließung beraten, die Entscheidung sollte 2024 getroffen werden. Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass das für uns emotional nicht einfach sein würde, noch heute hängt im Kindergarten das Bild von unserer Schwester Lissi mit ihrer Kindergartengruppe (sie war Erzieherin in Berlin), das wir damals zur Einweihung mitgebracht hatten.
Die Frage der Schließung des Kindergartens hat mich seitdem die ganze Zeit beschäftigt. Nach langem Überlegen habe ich eine mögliche Lösung gefunden: den Umzug des UPENDO Rehab Centers (s. unten) nach St Elisabeth. Momentan befindet sich das Center im Hinterhof eines Privathauses in Mtwara, es braucht dringend Platz für eine Erweiterung, die dort aber nicht möglich ist. Nach einem Umzug in den Kindergarten St. Elisabeth würden wir hier eine inklusive Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen errichten. Die Erzieherinnen müssten nicht entlassen werden und hätten eine Zukunft. Ich habe meine Idee dann mit Abt Christian besprochen, auch er war sofort für diese Lösung und hat umgehend die betroffenen Personen, Christina Chacha von UPENDO, Bischoff Titus von der Diözese Mtwara und Fr. Fulbert als Pfarrer von St. Paul, über den Plan informiert. Deswegen haben wir uns während des aktuellen Besuchs am 2.9. nachmittags zu einem gemeinsamen Gespräch getroffen.
Ich möchte es vorwegnehmen: das Treffen war ein voller Erfolg! Alle waren begeistert und wir haben gemeinsam die Idee konstruktiv in einen Handlungs- und Zeitplan umgesetzt. Die neue Einrichtung wird St. Elisabeth – UPENDO Rehab Center heißen und ab dem 1.1.25 ihre Tätigkeit aufnehmen. Der Träger wird die Diözese Mtwara sein, die Eltern der aktuell anwesenden Kinder haben zugestimmt, die aktuellen Erzieherinnen werden übernommen - für alle Beteiligten eine gute Lösung! Wir sind gleich nach dem Meeting zum Kindergarten gefahren um die weiteren Schritte zu besprechen. Friethilda, unsere langjährige Erzieherin in St. Elisabeth hat vor Freude geweint, als wir sie informiert haben. Jeder hat seine Aufgabe bekommen und angenommen, im Oktober werde ich wiederkommen und wir treffen uns, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Ähnlich wie das AMANI Center ist auch diese Einrichtung für Behinderte aus einer Eigeninitiative heraus entstanden (s. Projekte). Behinderte Kinder und Jugendliche werden in der Regel zuhause „versteckt“, wo sie nur unzureichend betreut werden. Das ist ein Teufelskreis, denn ohne gezielte Förderung verkümmern sie und haben keine Chance auf ein einigermaßen menschenwürdiges Leben.
Christina Chacha, die Gründerin hatte anfangs vor, eine Tagesstätte zu betreiben, damit ihre Tochter Noreen, sie ist Autistin, mit anderen Kindern aufwachsen kann. Es wurde aber schnell deutlich, dass der Bedarf an Plätzen für behinderte Kinder enorm ist, die Anzahl der Kinder wuchs stetig und machte natürlich auch mehr Betreuer notwendig. Wir haben zusätzliche Sponsoren gefunden, mit deren Hilfe die Zahlung der Gehälter für die zehn Angestellten (ca. 1000€/Monat) möglich wurde, um den laufenden Betrieb sicherzustellen.
Heute sind bereits 52 Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen im Center, aus der reinen Tagesstätte wurde ein boarding center mit zwei kleinen Schlafräumen. Der kleine Hinterhof reicht schon jetzt nicht mehr aus, der Umzug nach St. Elisabeth wird die räumliche Situation stark verbessern.
Wie dramatisch die Lage für die Kinder sein kann, wenn sie zuhause bleiben, zeigen die beiden Neuzugänge. Sie sind so stark unterernährt, dass ihr Überleben am seidenen Faden hängt. Sie sind so schwach, dass sie nur bewegungslos am Boden liegen können.
Inzwischen ist auch klar, dass in Zukunft die Diözese Mtwara die Trägerschaft der Einrichtung übernehmen wird. St.Elisabeth – Upendo Rhab Center wird dadurch zu einer offiziell registrierten inklusiven Einrichtung für Kinder und Jugendliche.
Der Besuch im Rehab Center am Mittwoch war der letzte Programmpunkt für die Gruppe, am Nachmittag war frei, am Donnerstag war der Rückflug nach Deutschland. Eine interessante Reise ging zu Ende. Mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen sind die Teilnehmer aus einer anderen Welt nach Hause zurückgeflogen. Sie haben ein kurzes statement verfasst, das hier zu lesen ist. Danke dafür, ihr wart eine tolle Reisegruppe!
Zum StatementFür Rudi, Bruno und mich war die Reise aber noch nicht beendet. Wir sind noch drei Tage länger geblieben und hatten noch zwei persönliche Programmpunkte zu absolvieren, die für uns als Cousins wichtig waren, es war eine emotionale Reise in unsere gemeinsame Kindheit.
Unsere Tante Helene, sie war die Schwester von unserem Vater, bzw. Patenonkel Bruno, trat Ende der 50er Jahre dem Orden der Erlöserschwestern in Würzburg bei mit dem Ziel in die Mission zu gehen. Wie uns berichtet worden ist, traf das damals auf Unverständnis (Angst?) bei unserem Opa Jakob und Oma Lene. Helene, jetzt Sr. Lioba, ging 1960 nach ihrer Ausbildung als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin nach Tansania, zunächst in den tiefsten Busch nach Luagala, um dort eine Missionsstation aufzubauen. Mit ihrer ruhigen, aber bestimmten Art war sie sehr beliebt bei den AfrikanerInnen, noch heute wird sie als Mama Lioba verehrt. Wenn man sagt: „Mimi ni mpwa ya Sista Lioba“ („Ich bin der Neffe von Schwester Lioba“) stehen alle Türen offen, man wird herzlich empfangen. Sie wurde dann auch zur Regionaloberin für Tansania gewählt und ging nach Mtwara, um dort das Landeszentrum der Erlöserschwestern aufzubauen. Leider konnte sie das Regionalhaus, das sie geplant hatte, nie selbst sehen, da sie 1995 aus gesundheitlichen Gründen ihr geliebtes Tansania verlassen musste. Für uns als Kinder war unsere Tante eine Frau, die die weite Welt in unsere Familie brachte. Ihre Briefe mit den bunten Briefmarken, ihre Erzählungen, Mitbringsel und die Diavorträge, wenn sie auf Heimaturlaub war, bereicherten unser Leben und weckten eine Sehnsucht nach der weiten Welt. Unser Eintrag in das visitors book im Regionalhaus gibt gut wieder wie berührt wir waren:
Während der Rest der Gruppe zurück nach Deutschland geflogen ist, haben wir drei Cousins noch einen Abstecher nach Uomboni gemacht, wo unsere Hugo Mill Berufsschule steht. Hugo war ein enger Jugendfreund von Rudi, für ihn war ein Besuch in der Schule fast zwingend, wenn er schon mal in Tansania ist.
Hier oben am Berghang des Kilimanjaros auf 1.700 m Höhe ist nochmal eine ganz andere Welt als das, was wir bisher gesehen haben. Die „Hauptstraße“, die dieses Gebiet mit dem Tal verbindet, ist eine rough road. Wäre eine solche bei uns im Wald, würde man sich beschweren, hier ist das normal. Private PKWs gibt es hier nicht, als Transportmittel dienen lediglich daladalas (Kleinbusse), sowie bodabodas (Mopedtaxis).
Die normale Fortbewegungsart ist das Laufen, egal ob zur Schule, zum Kirchgang oder zum Markt.
Es ist hier oben wesentlich kühler als in der Tiefebene, die Temperaturen gehen auf 15 °C zurück. Das beeinflusst natürlich die Vegetation, hier ist „Bananenland“.
Während in den anderen Regionen Mais die Hauptspeise ist, sind es hier die Kochbananen. Sie werden auf unterschiedliche Arten zubereitet, vergleichbar mit unserer Kartoffel daheim. Der Gletscher am Kilimanjaro schmilzt zwar stetig, aber noch bringt er genug Wasser, sodass die Menschen hier das ganze Jahr Früchte und Gemüse anbauen können. Es gibt keinen Überfluss, aber genügend zum Überleben, manche haben sogar etwas übrig zum Verkaufen.
Wer ein Schwein, eine Ziege oder eine Kuh schlachtet und nicht alles kurzfristig selbst verbrauchen kann, (keine Lagermöglichkeit!) hängt es am Weg zum Verkauf auf.
Viele Menschen wohnen noch in einfachen Holzhütten, wie die Mutter von Baltasar und Fr. Christian. Ein kleiner Schlafraum, ein Raum zum Kochen und Wohnen, daneben die Ziegen und die Kuh, sehr spartanisch, ohne fließend Wasser, der Stromanschluss ist ganz neu.
Die SchülerInnen der Hugo Mill Berufsschule haben uns in kurzen Präsentationen ihre Berufe vorgestellt, alles auf Englisch. Ob das unsere Berufsschüler können?
electricians Bild Automecanics Bild Textilarbt BildVon den HauswirtschafterInnen wurden wir zum Essen eingeladen, es gab Kürbis- und Bananensuppe, Sambusas (gefüllte Teigtaschen), chapati (Pfannkuchen), wali (Reis), Pommes und nyama (Fleisch), sowie Backwaren. Alles war sehr lecker, die KöchInnen waren sehr stolz und zufrieden, dass es uns so gut geschmeckt hat.
Es gibt noch die Ausbildung zum Tour Guide (Reiseführer für die Nationalparks), sowie eine Fahrschule mit Führerscheinprüfung, die aber im Tal in der Stadt Himo unterrichtet.
Am Tag unserer Abreise fand in der Pfarrei das Jubiläum zur 50. Profess einer Ordensschwester aus der Pfarrei statt. Wir konnten nicht dabei sein, haben aber gesehen, wie die Frauen der Pfarrgemeinde das catering traditionell selbst vorbereitet haben. Seit Sonnenaufgang wurde auf unzähligen Feuerstellen geschnipselt, gekocht und gebrutzelt, eine logistische Meisterleistung der Frauen!