Die diesjährige Fahrt nach Tansania steht, wie bereits in der Ankündigung beschrieben, ganz unter dem Zeichen der Krise durch den Krieg in der Ukraine. Aber auch die Auswirkungen des Klimawandels scheinen ernsthafte Probleme zu bereiten, wie es die Vorbereitungsgespräche mit den Partnern in Tansania haben erahnen lassen. Wir, meine Frau Anneliese, unser Reisebegleiter Rainer Schneider und ich werden die Besuche unserer Projekte am 20.11. in Uomboni starten, anschließend fahren wir nach Turiani und zum Abschluss in den Süden nach Mtwara. Unser Rückflug von Dar es Salaam ist für den 5.12. gebucht.
Unser Flug mit KLM startete um 6:55 Uhr in Frankfurt nach Amsterdam Schiphol. Von dort aus ging es um 10:00 Uhr weiter nach Tansania zum Kilimanjaro Airport, wo wir um 20:30 Uhr ostafrikanischer Zeit gelandet sind. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt 2 Stunden, bei uns daheim war es also erst 18:30 Uhr. Hier, unterhalb des Äquators, beginnt gerade der Sommer und es kann auch um diese Uhrzeit noch sehr heiß sein. Doch diesmal war der Temperaturunterschied angenehm, es hatte „nur“ 25 °C. Dafür war es aber sehr schwül, ein untrügliches Zeichen, dass es geregnet hatte. Eigentlich ist es um diese Jahreszeit eher trocken und warm. Die Ausstellung der Visa und die Gepäckausgabe gingen recht flott, aber bei der Gepäckkontrolle gab es dann die Probleme. Wir haben vom TuS Frammersbach einige (gebrauchte) Fuß- und Volleybälle, sowie Trikots für Schulmannschaften hier in Tansania dabei. Die Zöllner haben beim Durchleuchten natürlich die Bälle gesehen und wir mussten unser Gepäck aufmachen. Eine junge Zollbeamtin wollte dafür Zollgebühren haben („these are our government rules“). Es kam zu einer langen Diskussion, schließlich holte ich Fr. Anicet herein, der draußen auf uns wartete. Nach einigem Hin und Her wurde klar, dass die Beamtin nichts anderes im Sinn hatte als Bestechungsgeld zu fordern. Anicet gab ihr schließlich 30.000 Tansania Schillinge (Tshs), also umgerechnet ca. 11,50 € (1 € = 2.600 Tshs). Es blieb uns nichts anderes übrig als das zu zahlen, es gab nicht wirklich eine Alternative, zumindest hätte es noch länger gedauert und wäre wahrscheinlich auch teurer gewesen. Nassgeschwitzt konnten wir nach 1 Stunde endlich das Gebäude verlassen, willkommen in Afrika!
Schon bei der Reiseplanung war ausgemacht, dass wir die erste Nacht in der Pfarrei Boma N`gombe schlafen werden, denn unser erstes Reiseziel, die Pfarrei Uomboni, liegt ca. 2 Fahrstunden vom Flughafen entfernt, wir wären also erst spät in der Nacht dort angekommen. So konnten wir nach einem Abendessen und einem kleinen Begrüßungstrunk mit Anicet und Juvenal noch vor Mitternacht ins Bett gehen.
Ausgeschlafen und gut erholt sind wir mit den ersten Sonnenstrahlen um 6:30 Uhr aufgestanden. Der erste Blick aus dem Fenster zeigt einen grünen Garten, es hat also viel geregnet in der letzten Zeit, für die Kühe der Pfarrei ein Paradies.
Nach dem Frühstück zeigt uns Fr. Juvenal ganz stolz seine neue Primary-School (Grundschule) die schon im 2. Jahr von vielen Kindern besucht wird. In der 1. Klasse sind 52 SchülerInnen, in der Pre-primary-School (Vorschule) sind sogar 70 (!) Kinder in der Klasse. Sie wird zwar von 2 Lehrerinnen betreut, aber das ist für unsere Verhältnisse dennoch eine unvorstellbare Zahl!
Kurz vor unserer Abfahrt nach Uomboni bekamen wir noch einen unerwarteten Besuch. Unser Freund Fr. Christian ist gerade auf dem Weg nach Arusha und hat die Gelegenheit genutzt in Boma N`gombe vorbeizukommen, um uns zu begrüßen. Er war erst am 14. Oktober anlässlich des Weltmissionssonntags mit einem Chor aus Ndanda, wo er Abt ist, in Frammersbach. Wir werden uns am Ende unserer Reise in Ndanda nochmal treffen.
Ursprünglich wollten wir bereits direkt nach dem Frühstück losfahren, um gegen 10:00 Uhr in Uomboni zu sein, aber mit den Zeitangaben nimmt man es hier nicht so genau, Verspätungen sind hier an der Tagesordnung. Die Fahrt nach Uomboni am Berghang des Kilimanjaro dauerte 2 Stunden. Es geht durch ausgedehnte Maisfelder, auf denen die Bauern die Erde aufhacken, alles in Handarbeit.
Negativ aufgefallen ist uns, dass es wieder neue Gewächshäuser gibt, in denen Blumen für den europäischen Markt angebaut werden. Hier im Bild sind links die neuen, rechts die alten Gebäude an der Straße zwischen Arusha und Moshi zu sehen.
Dies ist sehr bedenklich, da zum einen die Anbauflächen für die Einheimischen verringert werden, aber auch, dass diese Anlagen viel Wasser verbrauchen, was der Bevölkerung fehlt. Da zur Blumenproduktion viele Pestizide notwendig sind, werden sowohl das Grundwasser als auch die Flüsse verseucht. Ob den Verbrauchern bei uns bewusst ist, dass sie die Lebensgrundlagen der hiesigen Bevölkerung zerstören, wenn sie z.B. für den Valentinstag Blumengeschenke machen?
Auf der Fahrt ist uns aufgefallen, dass die Spritpreise im Gegensatz zu uns in Deutschland noch weiter angestiegen sind. Betrugen sie im Vorjahr ca. 3000 TShs für 1 l Diesel, so kostet 1 l aktuell 3556 TShs!
Aus der Tiefebene geht es in Himo nach Uomboni, das am Berghang des Kilimanjaro auf ca. 1.600 m Höhe liegt. Das Dorf ist abgelegen, die steil ansteigende Straße ist inzwischen weitgehend geteert, was die Fahrzeit wesentlich verkürzt. Je nach Wetter haben wir dafür früher manchmal 2 Stunden gebraucht, heute dauert es nur noch ca. 30 Minuten, wenn das Wetter gut ist. Es hat hier in den letzten Wochen extrem stark geregnet, aus kleinen Wasserläufen sind Wasserfälle geworden.
Das ist schön anzusehen, sorgt aber in der Ebene zu Überschwemmungen, der Schlamm bedeckt viele Straßen und Felder.
Mit etwas Verspätung kamen wir in der Schule an, die Schüler unserer Hugo-Mill Berufsschule haben schon gewartet.
Mit einer Präsentation wollen sie uns zeigen, welche Berufe hier gelehrt werden und was sie gelernt haben.
Seit der Eröffnung der Schule 2009 haben wir Schneider und Elektriker ausgebildet, weitere Berufe sind dazugekommen.
In der Abteilung für Restaurantfachkräfte werden die SchülerInnen auf eine Arbeit in Restaurants und Hotels vorbereitet. Die Einstellungschancen sind sehr gut, denn Uomboni liegt in den Touristenzentren am Kilimanjaro und auch nicht weit von Arusha entfernt, wo es viele Nationalparks gibt. Neben der Zubereitung von Speisen mit den verschiedensten Geräten lernen sie auch diese attraktiv zu präsentieren.
Sie haben uns ein wirklich leckeres Menu serviert. Als Vorspeise gab es eine leckere Ingwerkürbissuppe mit selbstgebackenen Brötchen (eine Seltenheit hier!).
Als Hauptspeise gab es Kokosreis mit Fleisch in einer würzigen Soße und Salat, zum Nachtisch gemischten Fruchtsalat. Als Getränk bekamen wir frischen Fruchtsaft. Es hat uns sehr gut geschmeckt.
Die AutomechanikerInnen haben uns die Funktion von Motoren erklärt, sowohl für Getriebe-, als auch Automatikfahrzeuge.
Erklärt wurde uns auch das Bremssystem in einem Auto
Die ElektrikerInnen demonstrierten verschiedene Schaltkreise
Nicht fehlen darf natürlich die Funktion von Photovoltaikanlagen, denn auf dem Dach der Schule ist eine große Anlage montiert, die die Schule und die anderen Pfarreigebäude mit Strom versorgt.
In der Textilabteilung lernen die Schüler den Umgang mit Strick- und Nähmaschinen, sowie andere für den Beruf notwendige Fertigkeiten. Vorgeführt wurde der Zuschnitt einer Hose.
Die Schüler produzieren auch Textilien, die an die Bevölkerung verkauft werden, wie etwa Mützen, Schuluniformen u.v.m. Eine kleine Ausstellung der Produkte wurde gezeigt.
Seit Januar 2023 wurde die Schule um den Beruf des Tourguides erweitert. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal ist in den Nationalparks sehr groß, deshalb hat der Berufsschulverband VETA diesen Beruf als Ausbildungsberuf eingeführt. Diese Präsentation fand im Computerraum statt, denn der Umgang mit Computern ist ein weiterer Lerninhalt.
Wir wünschen allen Schülern, dass sie das erreichen, was auf ihren Schuluniformen steht:
TRAINING FOR EMPLOYMENT, EMPLOYMENT THROUGH TRAINING
Die Präsentationen wurden von den SchülerInnen in Englisch gehalten, sie haben damit gezeigt, dass sie in dieser Sprache fit sind. Das wird für viele von ihnen an ihren zukünftigen Arbeitsstellen wichtig sein. Dass das alles so gut gemacht wurde zeigt auch, dass die 8 LehrerInnen einen guten Job machen. Auf dem Bild sind neben den LehrerInnen links Pfr. Adelard Imani und in der Mitte die Schulleiterin Sr. Wilhelma zu sehen.
Die SchülerInnen hatten am Tag darauf ihre staatliche Abschlussprüfung, die am Ende jeden Schuljahres stattfindet und über das Weiterkommen entscheidet. Es ist ein sehr strenges Auswahlverfahren, denn dabei zählt nur die Leistung in der jeweiligen Prüfung und nicht die, die sie im laufenden Schuljahr gezeigt haben.
Gegenüber der Schule befindet sich der Kindergarten, den wir 2007 gebaut haben. Er ist gut besucht, die Kinder sind noch etwas scheu, wenn sie Besuch von wazungu (Weiße) bekommen, aber sie zeigen gerne was sie gelernt haben.
Übrigens: an den Kleidern sieht man, dass es hier oben doch ziemlich frisch ist, es hat ca. 16 °C.
Durch die verschiedenen Einrichtungen wie Kindergarten, Berufsschule, Maismühle, Krankenstation, Kirche, Secondary school, Pfarrhaus und -büro ist der Kirchplatz zu einem wichtigen sozialen Zentrum geworden. Die 12.000 Einwohner leben weit verstreut auseinander und viele müssen einen weiten, meist steilen Weg gehen um dahin zu kommen. Von staatlicher Seite gibt es keine einzige Institution hier oben, das soziale Leben wird von der Kirche getragen. Die Schulen werden von Jugendlichen aus vielen Teilen Tansanias besucht, dadurch ist ein frischer Geist eingezogen, am neuen Treffpunkt am Kirchplatz ist immer was los. Die Kinder des Kindergartens spielen draußen.
Der Chor und der Jugendchor proben im Freien
Jugendliche treffen sich.
Es herrscht eine gute Stimmung in der Pfarrei. Das Leben ist sehr einfach, das Wasser kommt vom Kilimanjaro, nicht alle haben Strom, aber da es (noch) genug Wasser gibt und die Vulkanerde sehr fruchtbar ist, muss hier keiner hungern. Sogar die Straßen werden ausgebaut, da hat der verstorbene Präsident Magufuli in den letzten Jahren große Fortschritte erreicht. Aktuell wird eine Fahrspur betoniert damit die Menschen nicht mehr im Schlamm laufen müssen und Motorräder endlich ohne größere Probleme bis weit nach oben fahren können. Bei dem unwetterartigen Regen der letzten Tage wären anders keine Fahrten möglich, für Autos ist es immer noch schwierig.
Die Nebenstraßen sind durch den Regen zwar reine Schlammpisten, aber insgesamt kann man den Fortschritt sehen, das ist einer der Gründe für die positive Stimmung in der Bevölkerung hier.
Unser Zeitplan für die 2 Wochen ist sehr eng, deshalb können wir nur 2 Tage in Uomboni bleiben, wir haben nicht genügend Zeit alle Einrichtungen, die wir hier oben am Berg unterstützen, zu besuchen. Wir haben uns am Abend von den Verantwortlichen einen Überblick geben lassen und erfahren, dass die Situation der Menschen hier sehr angespannt ist. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen, Preistreiber sind dabei die hohen Benzinpreise. Dies betrifft alle Lebensbereiche, auch die Kosten für den Schulbesuch der Kinder, den sich viele nicht mehr leisten können, da das Budget der Familien erschöpft ist. Nicht wenige müssen die Schule verlassen, um ihren Beitrag für das Familieneinkommen zu leisten. In dieser Gegend baut jeder auf seinen Feldern Kochbananen an, davon müssen sie jetzt auch einen Teil ihres Eigenbedarfs verkaufen, um über die Runden zu kommen.
In einer Regenpause sind wir auf 1900 m an die Grenze des Kilimanjaro Nationalparks gelaufen. Der Weg führt durch unwegsames Gelände über rauschende Flüsse mit zweifelhaften Brücken.
Der über 4000m hohen Mawenzi, ein Nebengipfel des Kilis war klar zu sehen und auch der Kilimanjaro selbst zeigte sich in einer Wolkenlücke.
Die Vegetation am Fuß des höchsten Berges Afrikas ist eine Graslandschaft mit hohen, alten Bäumen. Im Nationalpark ist die landwirtschaftliche Nutzung strengstens verboten, es darf auch kein Holz entnommen werden.
Dort oben besuchten wir die über 90-jährige Mutter unserer befreundeten Familie, Mama Tombolo freute sich sehr über unseren Besuch.
Die zwei Tage waren vollgepackt mit Besuchen und Gesprächen und vergingen wie im Flug. Die moderaten Temperaturen um 20 °C erleichterten uns die Umstellung vom deutschen zum tropischen Klima hier in Äquatornähe. Der heftige Regen nachts behinderte uns bisher nicht allzu sehr, aber für den Reisetag am Donnerstag sollte es uns betreffen. Die Strecke über Himo, Korogwe und Handeni nach Turiani ist eigentlich nur ca. 500 km lang und sollte, auch wenn die letzten 120 km nur eine Sandpiste sind, bei Tageslicht leicht zu bewältigen sein. Der übermäßige Regen der letzten Wochen hat aber dieses Teilstück unpassierbar werden lassen, sodass wir die ca. 240 km längere Strecke über Chalinze und Morogoro nehmen mussten. Diese Strecke ist zwar durchgehend geteert, aber sie hat ein sehr hohes Verkehrsaufkommen. Außerdem wollten wir auf dem Weg noch das Patenkind von Anneliese, Annalisa Temu in Mazinde Juu in den Usambara Bergen besuchen, die dort in der 1. Klasse der Girls Secondary School ist. Dies ist ein zusätzlicher Weg von ca. 100 km. Hätten wir vorher gewusst was uns insgesamt erwartet, hätten wir wahrscheinlich unterwegs eine Übernachtung eingeplant.
Wir starteten um 5:00 Uhr in Uomboni und sollten erst gegen 23:00 Uhr in Turiani ankommen, es war eine äußerst anstrengende und unangenehme Fahrt. Ich bin die ersten 150 km gefahren, da verlief alles normal. Die Busse waren noch nicht auf unserer Strecke unterwegs, es gab auch wenige LKWs, man konnte zügig fahren. In Tansania ist Linksverkehr, das stammt noch aus der englischen Kolonialzeit. Es gibt in der Regel nur 2 Spuren, daneben laufen die Menschen und fahren die Motor- und Fahrräder. Wenn man durch Dörfer fährt, sind überall Menschen, Motor- oder Fahrräder auf der Straße, es ist einfach gefährlich.
Mittelstriche gibt es nur in den gefährlichen Bereichen in denen man nicht überholen darf. Darauf kann man sich aber überhaupt nicht verlassen, Busfahrer halten sich nicht daran, wie man auf diesem Bild sieht
Sie kommen mit Geschwindigkeit von hinten, hupen und überholen wo immer es geht. Erst auf den letzten Drücker ordnen sie sich links ein, wohl wissend, dass sie stärker sind. Es kann auch passieren, dass ein Stau auf der falschen Seite umfahren wird, plötzlich kommt dir auf deiner Spur ein Bus entgegen, es gilt höllisch aufzupassen.
Bei Straßenreparaturen arbeiten die Bauarbeiter mit einfachen Handwerkzeugen auf der Straße.
Abgesichert werden sie durch Aufpasser, die am Anfang und Ende mit roten und grünen Flaggen stehen. Ist die Baustelle so lang, dass diese Flaggenträger keinen Sichtkontakt haben, steht mittendrin ein weiterer Mitarbeiter, der dem anderen signalisiert, wer gerade Vorfahrt hat oder warten muss.
Selten sind Polizisten vor Ort, oft sitzen sie einfach nur da und beobachten, ob alles richtig läuft.
Bleibt ein Auto wegen eines Schadens liegen werden einfach Äste und Zweige auf die Straße gelegt, Warndreiecke habe ich noch nie gesehen.
Es ist kein Wunder, dass man hier immer wieder verunglückte Fahrzeuge sieht.
Um 10:00 Uhr waren wir in Mombo an der Abzweigung nach Mazinde Juu. Eine enge Serpentinenstraße bringt uns von 300 m auf 1.800 m in die Usambara Berge, Gegenverkehr ist gefährlich, denn die Schlucht ist tief.
Hier oben auf der Hochebene ist ein mildes Klima, kein Wunder, dass die deutschen und später die englischen Kolonialherren diese Gegend als neues Domizil ausgesucht haben. Noch heute sind alte Bauwerke zu sehen, von hier stammt auch das Usambaraveilchen. Wir haben Annelieses Patenkind besucht, sie geht hier in die secondary school, eine der besten Schulen des Landes. Das Schulsystem ist für unsere Verhältnisse sehr gewöhnungsbedürftig. Je nach Prüfungsergebnis am Ende der Primary school wird man einer Schule zugeteilt. Dies sind in der Regel boarding schools (Internate), d.h. dass die SchülerInnen nur zweimal im Jahr in den Ferien nach Hause kommen. Die Eltern dürfen ihre Kinder während der Zeit auch nicht besuchen, wir haben eine Ausnahmegenehmigung für einen kurzen Besuch bekommen. Annalisa hat sich über unser Kommen sehr gefreut.
Baltasar fuhr die nächste Strecke bis Chalinze, wo wir um 15:00 Uhr eine Rast eingelegt haben. Danach wurde es beschwerlich, denn der Regen setzte ein. Zeitweise konnten wir zwischen all den LKWs und Bussen nur im Schritttempo fahren, im Nu wurde es dunkel. Gäbe es hier einen TÜV wären die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge richtig eingestellt und die Autos ohne Licht würden aus dem Verkehr gezogen, das hätte vieles erleichtert Zudem muss man hier auch nachts und bei strömenden Regen immer mit Fahr- und Motorrädern rechnen, die meistens auch kein Licht haben, an Überholen war nicht zu denken. Für die restlichen 193 km bis Turiani brauchten wir mehr als 6 Stunden, das Fahren wurde zur Qual und die Nerven waren doch recht angespannt! Als wir dann nach 22:00 Uhr endlich in Turiani ankamen war es noch nicht vorbei, denn die Straßen waren überflutet und für PKWs unpassierbar. Wir mussten einen Pickup besorgen und mit unserem gesamten Gepäck auf ihn umsteigen, um zu unserer Unterkunft zu kommen.
Noch nie hat um Mitternacht ein Bier besser geschmeckt, dass wir müde sind, sieht man auf den ersten Blick!
Ja, es war wirklich eine Horrorfahrt und uns wurde wieder mal bewusst, dass Reisen in der Nacht eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellt. Es gibt hier keinen Rettungsdienst oder den ADAC, der bei Pannen helfen könnte. Es wäre auch schwierig eine Werkstatt zu finden. Ich erinnere mich, dass wir 2016 auf dieser Strecke nachts einen „puncha“ (Platten) hatten und auf freier Strecke den Reifen wechseln mussten. Das wäre bei diesem Monsunregen ein Chaos geworden. Somit ist alles doch gut gelaufen.
Wir haben am nächsten Tag gesehen, was der Dauerregen alles angerichtet hat. Turiani liegt auf einer weitläufigen flachen Ebene, das Wasser kann nur langsam ablaufen. Der Weg vor dem Haus von Baltasar ist ein Bach geworden.
In dieser Stadt gibt es keine Teerstraßen, die Stadt ist ein einziges Schlammloch.
In vielen Regionen sind echte Fortschritte zu sehen, hier nicht. Das liegt wahrscheinlich an der hiesigen Distriktregierung. Baltasar fuhr mit uns zum Fluss, wo uns das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich wurde.
Die Wassermassen müssen gewaltig gewesen sein, sie haben Häuser weggeschwemmt oder zerstört und die Stromversorgung ist zusammengebrochen. Viele haben ihre Existenzgrundlagen verloren und stehen vor dem Nichts, im Gegensatz zu unseren Katastrophen daheim wird aber weder eine Versicherung noch der Staat einspringen.
Da weitere schwere Regenfälle angekündigt sind, versuchen die Menschen zu retten was zu retten ist. Mit allen Arten von Fahrzeugen werden die Mauersteine gesammelt und weggeschafft.
Wir haben uns wie schaulustige Katastrophentouristen gefühlt, als wir das angeschaut haben; in diesem Fall waren wir das ja auch, pole sana.
Es gibt aber wie bei jeder Katastrophe auch Menschen, die davon profitieren. In diesem Fall gab es viele, die den angeschwemmten Sand am Ufer abgraben und verkaufen oder selbst für Baumaßnahmen benutzen.
Nach Turiani kamen wir vor einigen Jahren deshalb, da hier Baltasar Temu wohnt. Er ist „unser Mann vor Ort“ und eine unerlässliche Unterstützung, indem er die Projekte koordiniert und uns berät. Vor allem in der Coronazeit, als wir nicht reisen konnten, war seine Mitarbeit unverzichtbar.
Sein Sohn Baraka war in den letzten Jahren zweimal zur Therapie bei Rehamed in Frammersbach. Baraka hat durch Sauerstoffmangel bei der Geburt erhebliche körperliche Behinderungen erlitten, er konnte nicht aufrecht sitzen, seine rechte Körperhälfte war völlig gelähmt. Darüber hinaus helfen wir hier der Diongoya Secondary School, an der Baltasar Lehrer ist und unterstützen das AMANI Center für behinderte Kinder in Mvomero bei Turiani.
Die Diongoya Secondary School hat aktuell 766 SchülerInnen, davon 376 Mädchen und 340 Jungen. Diese staatliche Schule hat sehr gute Sportler, einige von ihnen sind sogar in einem Nationalteam von Tansania! Wir haben Trikots und Bälle vom TuS Frammersbach für die Schulmannschaften der Fuß- und Volleyballer mitgebracht, die Freude war groß.
Einige der SchülerInnen stammen aus sehr armen Familien. In Tansania ist es Pflicht eine Schuluniform zu tragen, mit dem Ziel, dass die soziale Herkunft der SchülerInnen keine Rolle spielt. Manche der SchülerInnen haben keine Schuhe, um in die Schule zu gehen oder es fehlt an Geld für Schulkleidung, Stifte und Hefte. Für solche Fälle haben die LehrerInnen von ihrem Gehalt einen Fond gegründet, um zu helfen, in Härtefällen geben auch wir unseren Teil dazu. Es sind nur ein paar Euro, damit ist den Jugendlichen aber viel geholfen, denn ohne die Kleidung könnten sie die Schule nicht besuchen. In dieser Schule waren besonders die Schülerinnen sehr offen und interessiert, sie haben uns von sich aus angesprochen und viel gefragt.
Auch die Diongoya Secondary School ist von den Regenfällen betroffen, das ganze Schulgelände steht unter Wasser.
Die Jungs mussten morgens vor Schulbeginn eine Barriere mit Sandsäcken aufbauen, damit das Wasser nicht in die Klassenräume läuft.
Das AMANI Center betreut 86 Mädchen und Jungen, einige sind Waisenkinder, die immer in der Schule leben. Die Mehrzahl der SchülerInnen besuchen die boarding school (Internat), in den Ferien gehen sie heim. Die Diözese Morogoro hat mehrere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit verschiedenen Behinderungen, hier in Mvomero werden hauptsächlich taubstumme Kinder und Jugendliche im Alter von 2 – 17 Jahren betreut. 13 LehrerInnen unterrichten sie vom Kindergarten bis zur Secondary school, alle beherrschen die Gebärdensprache in Kisuaheli. Das Center ist vollständig von Spenden abhängig, von der Bevölkerung kommen hauptsächlich Nahrungsmittelspenden, für die Gehälter der Lehrer muss die Leitung betteln gehen, oft konnte nicht die gesamte monatliche Summe erzielt werden, obwohl der monatliche Verdienst der LehrerInnen lediglich ca. 80 € beträgt! Wir haben in den letzten 2 Jahren einen Großteil der Gehälter übernommen, danke an die Spender, die ihre Spenden hierfür gegeben haben. Auf dem Schulgelände werden Gemüse und Früchte angebaut und einige Tiere gehalten, um unabhängiger von Nahrungsmittelspenden zu werden. Die SchülerInnen müssen dabei aktiv mitarbeiten. Leider stehen die Felder unter Wasser, hoffentlich beeinflusst das die Ernte nicht zu stark.
Wie schon im letzten Reisebericht 2022 beschrieben, leisten die Lehrkräfte hier großartiges. Das Verhältnis zwischen dem Lehrpersonal und den SchülerInnen ist eng und von Vertrauen geprägt. Die Kinder und Jugendlichen haben uns mit ihren Vorführungen beeindruckt: Massaitänze, wohlgemerkt von Gehörlosen vorgeführt,
eine lustige Berufsmodenschau und ein Theaterstück über den Schulalltag wurden gezeigt,
auch die obligatorische Nationalhymne in Gebärdensprache waren beeindruckend.
Alle Reden und Vorführungen wurden von einem Lehrer in Gebärdensprache übersetzt.
So wie Baltasar und mir bereits letztes Jahr ein Name in Gebärdensprache gegeben worden war, haben auch die Anneliese und Rainer ihren Namen erhalten.
Wir haben Baraka vor 14 Jahren zum ersten Mal kennengelernt, als wir zur Einweihung der Hugo-Mill-Berufsschule in Uomboni waren. Er war damals 2 Jahre alt und wir hatten von seinem Onkel, Fr. Christian erfahren, dass er entwicklungsverzögert ist. Damals war Rosi Mill, eine ausgebildete Erzieherin, mit dabei, für uns war offensichtlich, dass der Junge körperliche Auffälligkeiten zeigte. Er konnte weder aufrecht sitzen noch seinen rechten Arm und das rechte Bein bewegen. Bei Gesprächen mit den Eltern Baltasar und Neema erfuhren wir, dass es bei der Geburt Komplikationen gegeben hatte. Er war in den letzten Jahren 2x mit seinen Eltern in Deutschland zur physiotherapeutischen Behandlung, wo Martina von Rehamed in Frammersbach mit ihrem Team intensiv mit ihm gearbeitet hat. Sie haben einen Behandlungsplan zusammengestellt, durch den immerhin erreicht werden konnte, dass er aufrecht sitzen kann und seine Gesamtbeweglichkeit stark verbessert werden konnte. Inzwischen ist er 16 Jahre alt und besucht die Secondary school, was ihm neue Perspektiven für sein Leben eröffnet.
Wir werden ihn nochmal nach Deutschland einladen, um mit Experten herauszufinden, welche Hilfsmittel geeignet sind, seine Selbstständigkeit weiter zu verbessern. Mit dieser Unterstützung soll der Gesellschaft hier auch bewusst gemacht werden, dass Behinderte, anstatt weggesperrt zu werden, durchaus am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Und auch, dass durch Förderung eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann. Dies ist zum Glück bei uns daheim inzwischen eine Selbstverständlichkeit.
Durch Baltasars Kontakte bekommen wir immer wieder auch Einblick in die lokale Wirtschaft und deren Bedingungen. Im Vorjahr besuchten wir die große Zuckerfabrik, in diesem Jahr konnten wir ein Sägewerk besuchen, das Teakholz verarbeitet. Der Teakbaum ist ein tropischer Baum, dessen Holz sehr begehrt und vielseitig verwendbar ist. Hier in Turiani hat er ideale Wachstumsbedingungen und liefert ein sehr wertvolles Holz mit einer gleichmäßigen Maserung ohne Äste. Das Holz ist sehr hart und reißfest, also ideal für Möbel, Fußböden, Vertäfelungen und eignet sich durch seine Wasserfestigkeit auch sehr gut für den Schiffsbau. Nach 30 – 50 Jahren ist der Teakbaum erntereif.
In Turiani gibt es ausgedehnte Teakwälder, die meistens im Staatseigentum sind. Viele Privatpersonen pflanzen aber mittlerweile diese Bäume auch in ihren Gärten und auf den Feldern an, da damit ein guter Gewinn erzielt werden kann.
Das Sägewerk in Turiani wird von indischen Privatpersonen betrieben, sie sägen das Holz zurecht und verschiffen es in Containern nach Indien. Dort wird es dann endverarbeitet, der Mehrwert bleibt in Indien. Die Vorarbeiter sind alle Inder, die Arbeiter sind Tansanier.
Die einzelnen Sägen werden elektrisch angetrieben, kein einziges der Sägeblätter hat einen Sägeschutz! Die Arbeiter arbeiten mit Flipflops, haben weder Gehör-, Augen- oder Atemschutz.
Die auf Containermaß abgelängten Stämme werden auf einen Schlitten gerollt und zu Brettern oder Pfosten grob zurechtgeschnitten. Dabei stehen die Arbeiter barfuß im Wasser und ziehen den Schlitten durch die Säge.
Im nächsten Arbeitsschritt werden die Hölzer rechtwinklig abgelängt, die Säge dreht sich frei ohne Schutz, schon beim Hinschauen sieht man wie gefährlich das ist.
Danach werden die Hölzer an einer Bandsäge so zurechtgeschnitten, dass nur noch der harte Teakkern übrigbleibt, alles andere gilt als Abfallholz.
Das fertig verarbeitete Holz wird aufgeschichtet und für den Abtransport gelagert.
Das „Abfallholz“ ist aber immer noch von guter Qualität, taugt aber nicht zum Transport nach Indien. Es wird entweder verbrannt,
kann aber auch und kostenlos abgeholt werden.
Dieses Werk produziert viele Festmeter wertvollstes Teakholz, die Regierung verdient zwar am Verkauf der Bäume, ihr entgeht aber ein wesentlich höherer Gewinn, indem sie erlaubt, dass das Holz nach Indien transportiert wird. Dies ist ein Beispiel unter vielen wie der Staat seine Ressourcen verschleudert.
An zwei Abenden hatten wir in Turiani einen besonderen Spaß und zwar beim Fußball. Dieser Sport mobilisiert die Massen noch mehr als bei uns in Europa. Die Kneipen, die ein Fernsehgerät haben, werben im ganzen Land mit der Übertragung der Spiele, die englische Premier League ist dabei der absolute Favorit. Da Privatpersonen sich die Bezahlsender nicht leisten können, sind die Kneipen voll, inclusive vieler Zaungäste, auch ich war unter ihnen.
Wir konnten 2 Spiele der African Champions League erleben. Yanga als tansanischer Meister und Simba als Vizemeister haben sich für die African Champions League qualifiziert. Es sind die führenden Teams des Landes, beide sind in Dar es Salaam beheimatet. Am Dienstag spielte Yanga gegen eine algerische Mannschaft, am Mittwoch Simba gegen ein Team aus der Elfenbeinküste, beide Partien waren ein regelrechtes Spektakel. Bei jedem Spiel saßen weit über 100 Zuschauer dichtgedrängt zusammen, sowohl Fans von Yanga als auch Simba waren anwesend. Die Rivalität beider Teams ist so groß, dass die Simba-Fans jedes Tor der Algerier gegen Yanga überschwänglich gefeiert haben, genauso wie die Yanga Fans am nächsten Tag die Tore des Teams aus der Elfenbeinküste gegen die Simba Mannschaft. Die Qualität der Spiele war ganz gut, gewonnen hat aber keines der beiden Teams aus Tansania.
Wir sind jetzt eine Woche im Land unterwegs und haben viele Gespräche geführt. Es scheint so zu sein, dass die finanzielle Belastung der Menschen noch einmal stark zugenommen hat. Es zeichnen sich dafür zwei Hauptursachen ab:
Zum einen beeinflusst der Klimawandel die Ernten; die Regenzeiten verschieben sich, dadurch ist es schwerer, den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat zu finden. Zudem sind die Niederschläge heftiger und Dürreperioden länger geworden, was das Risiko für Missernten erhöht.
Durch den Krieg in der Ukraine gibt es Lieferengpässe bei täglichen Bedarfsgütern wie Weizen und Öl zum Kochen, die hohen Benzinpreise verteuern zusätzlich den Transport der Waren. Es gibt teilweise enorme Preissteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln wie Mais, Reis, Maniok Sonnenblumenöl usw., die Löhne sind aber gleichgeblieben. Wir haben bei uns staatliche Hilfen bekommen, die es hier nicht gibt, die reale Kaufkraft der Familien ist dadurch gesunken. Trotzdem bleiben die existenziellen Herausforderungen, vor denen sie täglich stehen, gleich:
Wenn die Eltern dies schaffen, sind sie schon zufrieden, an weitere Ansprüche ist meist nicht zu denken.
Für arme Familien ist es deshalb eine große Hilfe, wenn sie Unterstützung für den Schulbesuch ihrer Kinder bekommen.
Sonntag früh, 4:30: der Imam weckte uns wie jeden Morgen hier in Turiani mit seinem gesungenen Aufruf zum Morgengebet für die Moslems. Wir reisen heute mit dem Überlandbus die 355 km lange Strecke nach Dar es Salaam. Bei Sonnenaufgang ging es los, zunächst mit einem Bus nach Morogoro.
Baltasar ist mit uns nach Dar gefahren, da er dort am Montag einen Arzttermin hat. Er hat dafür gesorgt, dass wir in der 1. Reihe sitzen können.
Wenn man weite Strecken fahren muss, ist das Busfahren hier das billigste Verkehrsmittel, für diese Fahrt bezahlten wir je 18.000 TShs (ca. 6 €). Die Busfahrer sind neben den LKW-Fahrern die Könige der Landstraße, sie fürchten sich vor nichts und niemandem, auch nicht vor dem Gegenverkehr.
„Haraka haraka“ heißt das Motto, d.h. so viel wie „Schnell Schnell“! Jede Busgesellschaft hat ein Netz von Agenten, die die Tickets verkaufen. Immer wieder bleibt der Bus auf offener Strecke stehen, um Leute einsteigen zu lassen. Da ist es egal, ob schon alle Sitze besetzt sind, es ist immer Platz für weitere Passagiere, man sitzt dann halt auf dem Boden.
In Morogoro sind wir in einen anderen Bus umgestiegen, der uns bis nach Dar bringt.
Der Busbahnhof ist riesig, es sind bestimmt 50 Busse da, die in alle Richtungen unterwegs sind.
Hier fühlt man sich fast wie in einem Basar, man kann vor der Fahrt fast alles kaufen. Die fliegenden Händler haben extra hohe Trageplatten, damit die Passagiere vom Fenster aus einkaufen können.
Während der Fahrt sahen wir zahlreiche Polizeikontrollen, aber unser Bus wurde immer durchgewunken, wahrscheinlich hat die Busgesellschaft Abood entsprechend vorgesorgt! In Kibaha, kurz vor Dar es Salaam, gab es einen langen Stau. Während die PKWs und LKWs stehen bleiben mussten, hat die Polizei alle Busse auf eine Umleitung geschickt, damit wenigstens die schneller vorankommen. Das haben natürlich alle Autofahrer mitbekommen und auch diese Route benutzt. Leider war die Straße eine Sandpiste, viel zu eng und voller Löcher. Ängstliche PKW-Fahrer trauten sich nicht durch die Löcher, nichts ging mehr vorwärts und rückwärts. Unser Busfahrer musste aussteigen und den PKW-Fahrern zeigen wie man fährt, erst dann ging es weiter.
Auf der ganzen Fahrt haben wir gesehen, wie der Regen ganze Landstriche unter Wasser gesetzt hat, es ist davon auszugehen, dass die Ernten in diesem Jahr schlecht ausfallen werden.
Bei strömendem Regen haben wir am späten Nachmittag Dar es Salaam erreicht. Bajajis sind beliebte und billige Mopeds mit 3 Rädern und einer Kabine für maximal 3 Passagiere. Sie sind wendig und können im Stadtverkehr kreuz und quer alle Verkehrslücken ausnützen. Mit 2 Bajajis sind wir zu unserem Hotel gefahren, Baltasar in einem mit unserem Gepäck, im anderen wir 3.
Ausruhen, essen und umpacken für den morgigen Flug nach Mtwara, sonst war heute nichts mehr geplant.
In Dar es Salaam hatten wir mal wieder Gelegenheit tansanische Zeitungen zu lesen und fanden erwähnenswerte Artikel mit Bezug auf Europa und Deutschland. Letzte Woche fand in Accra (Ghana) eine internationale Konferenz afrikanischer und karibischer Staaten statt, auf der der ghanaische Präsident Addo die Frage nach Kompensationen für den durch die Sklaverei erlittenen Schaden gestellt hat. Zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert wurden 12,5 Millionen Afrikaner als Sklaven nach Übersee entführt und dort profitabel verkauft. Beim Besuch von König Charles III. in Kenia sowie dem dänischen Königspaar in Südafrika vor einigen Wochen kam es diesbezüglich zu öffentlichen Protesten. Addo forderte eine gemeinsame nationale Front, um die Kompensationsforderungen durchzusetzen. Die politische Dimension dieser Forderungen ist für die europäischen Staaten nicht zu unterschätzen, aus meiner Sicht werden hier noch Konsequenzen folgen.
Deutschland selbst war zwar nicht aktiv am Sklavenhandel beteiligt, aber war während seiner Kolonialherrschaft von 1885 bis 1918 an zwei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afrika beteiligt. In Namibia befahl Generalleutnant von Trotha 1904 und 1905 die Vernichtung der Herero und Nama, ca. 100.000 Menschen wurden ermordet. 2021 hat sich Deutschland zu diesem Völkermord bekannt und als Geste der Wiedergutmachung 1,1 Milliarden Euro für Wiederaufbaumaßnahmen in Namibia zugesagt. Vor einigen Wochen besuchte Bundespräsident Steinmeier Tansania, wo er sich für die Ermordung von 300.000 Menschen während des Maji-Maji Aufstandes (1904-1905) im damaligen Deutsch-Ostafrika entschuldigt und seine Scham ausgedrückt hat. Diese Vernichtungsaktion ist noch nicht als Genozid anerkannt, aber die Frage nach Reparationszahlungen wird in Ostafrika seit Jahren diskutiert und wird unser Land noch länger beschäftigen.
Wieder hieß es um 4:00 Uhr aufstehen, der Flug nach Mtwara im Süden Tansanias startete um 5:45 Uhr auf dem Julius Nyerere Flughafen in Dar. Bei der Landung um 7:00 Uhr morgens hatte es bereits knapp unter 30 °C, das versprach nochmal eine heiße Woche!
Unsere Geschichte als Kinderhilfe Tansania begann hier mit dem Bau des Kindergartens St. Elisabeth im Jahre 1998. Für uns ist deshalb nach Mtwara kommen irgendwie auch wie heimkommen. Die Stadt hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrfach gewandelt. Sie war einmal das „Armenhaus“ Tansanias, dann fand man Gasvorkommen auf dem Meer vor Mtwara, es begann eine Goldgräberstimmung mit einem entsprechenden Aufschwung. Inzwischen hat sich das wieder normalisiert, die Betreiberfirmen sind abgezogen, die Region zwischen hier und Lindi zählt wieder zu den ärmeren Landesteilen.
Empfangen werden wir von den rot blühenden Kristmas trees, wie sie hier genannt werden, da sie um die Weihnachtszeit blühen.
Die Pfarrei St. Paul hat in Mtwara ihr Zentrum, zu ihr gehören 6 Außenstellen, die bis zu 20 km entfernt liegen. In jeder Außenstelle gibt es einen eigenen Kindergarten, insgesamt betreibt die Pfarrei 7 Kindergärten. Seit 2001 unterstützen wir mit unserem Programm „Patenschaft für Kindergartenplätze“ diese Vorschuleinrichtungen. Zusammen mit den Erlösen aus der Aktion Sternsinger in Frammersbach, Partenstein und Habichsthal, sowie den Spenden aus dem Martinszug in Frammersbach können wir diese Kindergärten am Leben erhalten. Die Kinder bekommen neben einer qualifizierten Vorschulbildung durch ausgebildete Lehrkräfte auch ihren täglichen Maisbrei, was v.a. in den ländlich geprägten Außenstellen wichtig ist. Bei unseren Besuchen konnten wir uns ein gutes Bild machen, die Kindern fühlen sich sichtlich wohl und werden gut auf die Schule vorbereitet. Hier einige Impressionen:
„Elimu ni ufunguo wa maisha“ – „Bildung ist der Schlüssel zum Leben“ Getreu diesem tansanischen Spruch werden wir auch in Zukunft einen Schwerpunkt auf die vorschulische Bildung legen und Kindergärten fördern. Der Staat hat zwar inzwischen alle Primary Schools (Grundschulen) dazu verpflichtet kostenlose Preschool-Klassen (Vorschul-Klassen) einzurichten, die einjährige Vorschule ist also eigentlich Pflicht. Sie sind aber nur selten mit den nötigen Mitteln ausgestattet, deshalb sitzen in der Regel 70 – 90 Kinder in einer Klasse, die zudem oft nur von einer Lehrkraft betreut werden. So ist an qualifizierte Bildung nicht zu denken, aber es gibt wenigstens Einrichtungen für Vorschüler!
Ganz anders stellt sich die Lage für Menschen mit Behinderungen dar. Der Staat lässt solche Familien komplett im Stich, es gibt keine Unterstützung oder gar Förderung für diese Kinder und Jugendlichen. Die Gesellschaft nimmt sie als minderwertige Personen wahr, was zur Folge hat, dass sich viele Eltern für ihre Kinder schämen und sie zuhause wegsperren. Es gibt aber Menschen, die diese Situation nicht tolerieren wollen und sich aktiv für Kinder mit Behinderungen einsetzen. Oft sind es kirchliche Initiativen, wie das oben beschriebene AMANI Center in Mvomero, aber es gibt auch Privatpersonen, die sich in diesem Bereich engagieren. Eine solche Person ist Christina Chacha.
Abt Christian hat uns vor einem Jahr auf ihr UPENDO Rehabilitation Center aufmerksam gemacht und mit ihm zusammen haben wir sie am Montag gleich besucht.
UPENDO ist Kisuaheli und bedeutet Liebe. Damit wird ausgedrückt, dass jedes Kind geliebt und angenommen wird, egal welche Voraussetzungen es hat. Noreen, Christinas älteste Tochter, ist Autistin, Christina konnte für sie keine Schule finden. Also hat sie sich 2021 kurzerhand dazu entschlossen selbst ein Day Care Center (Tagesstätte) aufzubauen.
Auf der Suche nach staatlicher Hilfe wurde ihr lediglich ein Erlaubnisschein gegeben, mit dem sie Spenden sammeln darf, sarkastisch gesagt eine „Bettelerlaubnis“. Sie hat einen Bankkredit aufgenommen und auf ihrem eigenen Grundstück begonnen sich um behinderte Kinder aus ihrer Umgebung zu kümmern. Mit dem Geld baute sie ein Klassenzimmer und konnte einige HelferInnen zahlen.
Aktuell kümmern sich 7 Angestellte um 40 behinderte Menschen im Alter von 2-20 Jahren. 25 von ihnen werden in der Tagesstätte betreut, 15 Kinder schlafen auch dort und gehen nur am Wochenende oder in den Ferien in ihre Familien zurück. Auch hier einige Impressionen:
Der Bedarf an solch einer Einrichtung ist enorm. Für die Familien mit behinderten Menschen ist sie eine große Entlastung! Die Behinderten selbst haben eine Stätte, an der sie Betreuung und Zuwendung erhalten und im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefördert werden. Es herrscht eine positive Stimmung mit viel Lebensfreude, wir waren bei unseren Besuchen sehr beeindruckt!
Seit 2023 haben wir das Engagement von Christina bereits unterstützt, indem wir Zuschüsse für die Personalkosten gegeben haben. Wir wollen diese Zusammenarbeit im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterführen und verstärken, denn hier im UPENDO Rehab Center wird ein unverzichtbarer Dienst an benachteiligten Menschen geleistet. Wir würden uns sehr freuen, wenn uns Spender dabei helfen würden!
Nähere Informationen zum UPENDO Rehab Center gibt es demnächst unter Projekte.