Februar 2008
Die kurzfristig anberaumte und von meiner Seite aus nicht geplante Fahrt in den Faschingsferien geschah auf Wunsch der Betriebsleitung des Fair-Handels in Münsterschwarzach. Ab diesem Jahr wurde die Ottilien-fair GmbH aufgelöst und der gesamte Geschäftsbereich nach Münsterschwarzach übertragen. Darunter fällt auch die Zuständigkeit für den Handel mit Cashew- und Macadamianüssen aus Tansania. Gerade bei den Cashewnüssen gab es in den letzten Jahren immer wieder hausgemachte (wohlgemerkt in Deutschland!) Probleme. Da ich in den letzten Jahren bei meinen Besuchen das Projekt mit Pater Christian Temu "betreute", wurden wir beide gebeten Frau Käser, eine Mitarbeiterin des Fair-Handels, zu begleiten. Als Vierter im Bunde reiste ihr Mann Victor mit uns. Ziel dieser Reise ist es den gesamten Ablauf auf eine solide Grundlage zu stellen, sodass die Abwicklung in Zukunft problemlos geschieht. Dazu haben P. Christian und ich Kontakte nach Tansania aufgenommen und einen, sehr dicht gedrängten Zeitplan erstellt.
Freitag, 1.2. - Sonntag, 3.2.
Die Anreise über Dar Es Salaam verlief problemlos, lediglich der Inlandsflug nach Mtwara hatte startete mit mehrstündiger Verspätung, sodass wir erst am späten Nachmittag dort ankamen. Für Pater Christian war dies ein freudiges Wiedersehen mit seiner Heimat, er war überglücklich, da er nicht damit gerechnet hatte so früh wieder nach Tansania zu kommen. Der Empfang für ihn war überwältigend, schon am Flughafen wurde er von den Kindern seiner ehemaligen Pfarrei abgeholt und im Pfarrhof dann vor Begeisterung fast erdrückt.
Es ist mit 31 Grad überraschend "kühl" - wir hatten mit wesentlich höheren Temperaturen gerechnet - und auch der Regen ist nicht so heftig wie befürchtet. Leider ist aber gerade Tiefststand bei Ebbe und Flut, dadurch wird das Baden im Indischen Ozean als "einziges Vergnügen" nur eingeschränkt möglich sein.
Montag, 4.2.
In der Nacht haben wir aber dann erfahren was Regenzeit ist! Es hat ohne Unterbrechung monsunartig geschüttet. Der heftige Sturm peitschte den Regen durch die "Kippfenster" und war so laut, dass Schlafen nicht möglich war. So sind wir wie gerädert am Morgen in die Pfarrei St. Paul gefahren, wo die Gruppe der "Cashewfrauen" bereits auf uns wartete. In dem mehrstündigen Meeting konnten wir den Ablauf des Handels vorstellen und auf die zahlreichen Fragen der Frauen eingehen.
Ich empfand das Treffen als sehr konstruktiv, es ist uns gelungen eine gemeinsame Basis herzustellen auf der ab sofort produktiv gearbeitet werden kann. Beim abschließenden Gruppenbild waren die Frauen jedenfalls zufrieden, da wir den Startschuss für die neue Produktion gegeben haben.
Nach dem Mittagessen und der obligatorischen Ruhezeit besuchte Frau Käser Paul Hokororo, um sich über den Handel mit Makondeschnitzereien zu informieren.
Ich nahm die Gelegenheit wahr, um Sr. Berntraud und die Lehrerinnen unsere Partnerschule, dem Montessori Training Center zu besuchen. Sr. Berntraud hatte mir viel zu erzählen: die neuen Schüler, die großen und kleinen Sorgen mit den Lehrerinnen, aber auch die weiteren Pläne, die sie für ihre Schule und auch als stellvertretende Regionaloberin für ihre Mitschwestern hat.
Den wohlverdienten Ausklang des Tages in Papa Tupas Cliff Bar haben wir gerne genossen.
Dienstag, 5.2.
Nach einer ruhigen Nacht sind wir früh zur Abtei Ndanda gefahren. Der Regen hat deutlich seine Spuren hinterlassen, die Strassen sind stellenweise in einem katastrophalen Zustand.
Der rote Lehmschlamm ist richtig schmierig, ich wundere mich immer wieder wie sauber die Menschen hier angezogen sind. Sie waschen im Freien, trocknen ihre Wäsche draußen, laufen überall zu Fuß hin und sind trotzdem sauber angezogen. Die Frauen leisten hier unheimlich viel, all dies muss mit den Händen getan werden, ohne Hilfe von Waschmaschinen.
In Ndanda hatten wir mehrere arrangierte Treffen, Abt Dionys begrüßte uns und nahm sich Zeit für Gespräche. Ohne sein Einverständnis und seine Unterstützung wäre das Cashewprojekt nicht schwerer zu organisieren.
Nach den vereinbarten Gesprächen u.a. mit Br. Engelbert (Buchhaltung), Sr. Raphaela (Aquinas School) und Pater Severin (Schnitzereien) wurden wir nach dem Mittagessen von Abt Dionys verabschiedet und machten uns auf den zweistündigen Heimweg.
Leider war beim Heimkommen schon Ebbe, die Erfrischung im Meer musste deshalb ausfallen. Aber so richtig abkühlen kann man sich bei Wassertemperaturen von ca. 28 Grad ohnehin nicht.
Mittwoch, 6.2.
Der Vormittag war ganz dem Cashewprojekt gewidmet. Frau Käser, Victor und Pater Christian fuhren zu den Cashewfrauen, die den gesamten Produktionsvorgang zeigten. Es wurden Filmaufnahmen gemacht, die diesen Prozess zeigen und die Vermarktung in Deutschland unterstützen sollen.
Ich fuhr in die Agrarversuchsanstalt in Naliendele, um mich mit Zachary Mbunda, dem Experten für die Zucht von
Cashewnüssen, zu treffen. Im Mittelpunkt standen allgemeine Fragen, aber vor allem der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Es werden ähnliche Spritzmittel verwendet wie bei uns, die aber nach den Aussagen von Mr. Mbunda keine Rückstände in den Nüssen hinterlassen. Wir werden aber auf jeden Fall Labortests durchführen. Interessant waren auch seine Informationen zu weiteren Produkten rund um die Cashewnuss. So können aus dem Fruchtfleisch schmackhafte Produkte, wie z.B. Marmelade, Sirup, Fruchtsaft, Chutney, Pickles u.v.m. hergestellt werden, die nicht nur das Einkommen der Frauen verbessern können, sondern auch die Ernährungssituation, da dieser Fruchtapfel sehr vitaminreich ist.
Noch vor dem Essen traf ich mich mit Philibert Mandela, dem jetzigen Pfarrer von St. Paul und P. Christian um das Jahr 2007 abzuschließen und die Planung für 2008 zu besprechen. Neben der Unterstützung der Kindergärten, die durch Patenschaften und die Sternsingererlöse weitgehend abgesichert ist, liegt Philibert die Aids-Selbsthilfegruppe UPENDO am Herzen. Die 60 Frauen, Männer und Kinder treffen sich regelmäßig in der Pfarrei und sind als "Aufklärer" für die Menschen in den Dörfern tätig. Sie haben sich in Kleingruppen aufgeteilt, von denen jede durch ein anderes Projekt versucht ihre Situation zu verbessern. Von der Aufzucht von Hühnern, Eierverkauf, über den Handel mit Holzkohle, Fisch oder mit kleinen Garküchen sind die Maßnahmen sehr vielfältig. Das relativ geringe Startkapital von insgesamt ca. 200 € habe ich gerne dagelassen.
Am Nachmittag hatte ich mich mit Sr. Tadea, der Regionaloberin der Erlöserschwestern verabredet. Ich wollte die letzten Grüße meiner verstorbenen Tante Lioba an ihre Mitschwestern überbringen. Es war auch für mich ein sehr emotionales Treffen. Viele der afrikanischen Schwestern wurden von ihr ausgebildet und fingen beim Anblick des Bildes, das ich dabei hatte, an zu weinen. Das lange, persönliche Gespräch mit Sr. Tadea gab mir einen guten Einblick in die Situation der Schwestern. Wir sprachen auch über die zukünftigen Pläne und versprachen, auch weiterhin in Kontakt zu bleiben. Heute war es den ganzen Tag sonnig und sehr heiß, zum Glück regnete es nicht.
Donnerstag, 7.2.
Für den letzten Tag in Mtwara hatten wir das Programm nicht so dicht gepackt wie bisher, dennoch war die Zeit gut
ausgefüllt. Mit Pfarrer Silvanus fuhren wir zum Markt, um für die Jugendarbeit der Pfarreien eine Stereoanlage zu kaufen. Als wir durchliefen fielen uns einige Jungen auf, die ganz hektisch durch den Markt rannten und schrieen: "Lowassa". So erfuhren wir von dem Rücktritt des Premierministers Edward Lowassa wegen der Richmond - Affäre. Dies war von nun an Tagesgespräch. Auch am Abend, als wir zum Abschied die afrikanischen Pfarrer zum Essen bei Papa Tupa eingeladen haben, war das Thema präsent, da bis dahin bereits drei Minister zurückgetreten waren. Bei all den Problemen war aber auch Stolz herauszuhören, denn zum erstenmal haben Politiker die Verantwortung übernommen und sind zurückgetreten. "This is a big step for our country! This retirement shows the responsibility of our politicians." Immer wieder wurde der Vorgang mit Kenia verglichen und klar festgestellt: "We are not Kenia! Controlling is working well."
Am Nachmittag hatten wir das Haus von ADEA (African Development through Economics and Arts) besucht, einer Initiative von
örtlichen Künstlern, die ihre Schnitzereien, Malereien, Stoffarbeiten u.v.m. ausstellten und verkauften. Ein weiterer, viel versprechender Ansatz von Entwicklung durch Eigeninitiative, die hoffentlich Schule macht.
Das Wetter war regnerisch und stürmisch, aber die wieder höhere Flut machte ein ausgiebiges Bad im Indischen Ozean möglich. Das Meer war rau und mit ca. 25 Grad eher kühl, aber für Februar......!
Freitag, 8.2.
Es hat wieder die ganze Nacht geregnet, die Straßen werden immer schlechter, aber ich hoffe wir können trotzdem wie geplant raus zum Kindergarten St. Elisabeth fahren. Ich wollte aber heute unbedingt noch mal zum Baden ins Meer und bin deshalb schon um 5.30 Uhr aufgestanden, als es gerade hell wurde. Es gab viele Wellen und einen starken Wind, aber das Wasser hatte mit ca. 25 Grad angenehme Temperaturen.
Das Tagesereignis ist natürlich der Rücktritt der Regierung, schon früh am Morgen wurde ich von Radios geweckt, die die Nachtwächter laut gestellt hatten, um ja nichts zu verpassen. Ich bin mal gespannt, ob man in Dar Es Salaam mehr davon mitbekommt.
Zunächst stand aber ein Besuch in der Pfarrei St. Paul an, denn heute früh werden Cashewnüsse geliefert, das wollen wir natürlich nicht verpassen. Die Frauen gingen schon früh los, ganz stolz in ihren allerfeinsten Kleidern, denn sie wussten dass wir kommen würden. Wie sie das bei diesem Schlamm hinbekommen?
Geduldig warten sie bis sie an der Reihe sind ihre Nüsse im Korosho-Office bei Pater Philibert, dem Pfarrer abzuliefern.
Wie es bei afrikanischen Frauen üblich ist, sind ihre Babys immer mit dabei.
Während des Ankaufs kam ein Anruf der Fluggesellschaft Precision Air, bei der wir unseren Rückflug nach Dar Es Salaam gebucht hatten. Sie teilten uns mit, dass sie heute nicht fliegen würden und wir auf Air Tanzania umgebucht werden würden. So konnte ich leider nicht mehr zum Kindergarten St. Elisabeth fahren, was sehr schade ist.
Der Flug selbst war angenehm, was man von der Hitze in Dar nicht sagen kann.
Überall saßen die Menschen vor den Radios, um die Vorgänge im Parlament in Dodoma mitzuhören. Es war sehr spannend, denn inzwischen hatten weitere Minister ihren Rücktritt eingereicht.
Samstag, 9.2.
Früh am Morgen wurde ich wieder von laut gestellten Radios geweckt, noch in der Nacht hatte Präsident Kikwete die gesamte Regierung entlassen, er kämpft entschieden gegen Korruption. Er verkündete, dass er schnellstens einen neuen Premierminister ernennen und diesen mit der Regierungsbildung beauftragen wollte. Die Menschen waren sehr zufrieden und auch stolz darauf, dass das Fehlverhalten der Politiker Konsequenzen hatte.
Noch vor dem Abflug haben wir mitbekommen, dass ein neuer Premierminister ernannt wurde.
Der lange Rückflug war ermüdend, ich war sehr froh, als ich am Sonntag früh zuhause war.