School
Africa

Oktober 2011

Donnerstag 27.10.

Der Flug war wie ein Nachtflug halt ist, man kommt müde am Ziel an. Das Einchecken war insofern spannend, da wir trotz vorheriger Anmeldung nicht wussten, ob wir den Rollstuhl für Baraka Temu als Sondergepäck mitnehmen durften. Es war eine langwierige Schreibarbeit nötig, aber schließlich hat es doch geklappt. Für die Großmutter von Baraka, die ihn in Dar es Salaam betreut, wird es eine Riesenerleichterung sein ihren 5-jährigen Enkel nicht mehr tragen zu müssen.



Wir wurden (wie immer) herzlich empfangen, Pfarrer Anicet war mit Luisa am Flughafen. Luisa ist eine Lehramtsstudentin, die z. Zt. in Uomboni Recherchen für ihre Zulassungsarbeit macht und im Pfarrhaus wohnt.



So war „unser“ Zimmer belegt, aber wir konnten in dem fast fertigen neuen Gästehaus der Pfarrei übernachten, die Elektrikerlehrlinge hatten heute schnell 2 Module installiert, damit wir Licht haben.



Pfarrer Anicet organisierte den „Einzug“ feierlich: er sprach einen Segen, Anneliese durfte aufsperren,



und die (männlichen) Nachbarn waren zu einem Einzugsumtrunk geladen,



eine nette Geste, die uns allen viel Freude gemacht hat. Wir waren dann auch ziemlich müde und sind sofort eingeschlafen.


Freitag, 28.10.

Hier in Uomboni verlebt man ruhige Nächte. Normalerweise gibt es keine Motorengeräusche von Autos oder Flugzeugen, geweckt wird man von den Hähnen. Was uns aber heute früh weckte waren ganz sonderbare Geräusche, die wir zunächst nicht identifizieren konnten. Erst als wir dann rausgeschaut haben, haben wir gesehen, dass die spiegelnden Scheiben für die Vögel so wirken, als wenn Rivalen da wären. Unablässig pickten sie mit dem Schnabel gegen ihr Spiegelbild, ich hoffe die Vögel gewöhnen sich daran, sonst wird ein Ausschlafen länger als 6:30 Uhr ziemlich unmöglich werden. Aber da um 6:00 Uhr sowieso die Kirchenglocken läuten wird es egal sein. Außerdem war es gut, dass wir geweckt worden sind, denn so haben wir den freien Blick auf den Kilimanjaro geniessen können, wie man ihn vom Gästehaus aus sieht.



Heute früh stand ein Besuch an der Secondary Schule auf dem Programm. Die Schule liegt ca. 500 m vom Pfarreigelände entfernt. Dieser Platz rund um die Kirche ist inzwischen zu einem „Bildungszentrum“ geworden: die Hugo-Mill Berufsschule, die Elektrolehrwerkstatt und der Kindergarten umschließen den Platz vor der Kirche, die Leute hier sind unheimlich stolz darauf, was hier entstanden ist.





In der Schule lenen die Buben und Mädchen ganz eifrig für die am Montag und Dienstag stattfindenden theoretischen und praktischen Jahresabschlussprüfungen. Die Mittel, v.a. zur Ausstattung der Elektrolehrwerkstatt sind leider noch begrenzt, aber zum Lernen sind zunächst selbstgefertigte Lernobjekte hilfreich, wie dieser Schaltkreis zeigt.



Die Seco in Uomboni ist gerade dabei 2 neue Schlafräume zu bauen, wir unterstützen sie dabei mit einem rückzahlbaren Kredit.



Am Nachmittag traf sich Anneliese mit dem Schulleiter, einem Buchhändler, sowie dem neuen Bibliothekar, der auch Unterrichtsstunden in EDV geben wird. Nach langem Auswählen und vielen Diskussionen über das Konzept wurde beschlossen, dass zunächst Bücher für 5 Millionen TShs angeschafft werden, was ca. 2150 € entspricht. Dafür bekommt man hier in TZ über 720 Bücher!



Nächste Woche geht es los, die Bücherei wird nicht nur von den Secoschülern sehnsüchtig erwartet, für viele in der Bevölkerung besteht zum ersten Mal die Möglichkeit unkompliziert an Literatur heranzukommen. Mit einer eigenen Kinderbuchabteilung sollen bereits die Kinder an das Lesen herangeführt werden, mal sehen wie es angenommen wird.


Samstag, 29.10.

Der Samstag ist der Tag, an dem sich die verschiedenen Gruppen der Pfarrgemeinde treffen: die Kinder haben Kommunion- oder Firmunterricht, einzelne Frauengruppen kommen zum Kirchenputz und die Schüler haben verschiedene zusätzliche Kurse belegt. Der Platz vor der Kirche ist seit dem Bau der Schule noch mehr zu einem sozialen Treffpunkt der Menschen geworden: die Kinder kommen zum Spielen und die Erwachsenen zum Austausch von Neuigkeiten. Wir haben heute den ganzen Tag in der Pfarrei verbracht und konnten so das bunte Treiben verfolgen.



Der Pfarrer ist hier eine zentrale Figur, er ist Ansprechpartner für alle möglichen Belange der Menschen. Pfarrer Anicet (Mitte) hält engen Kontakt zu seinen Christen, er ist sehr beliebt in der Gemeinde.



Es ist heute angenehm warm, ca. 26 °C, Anneliese und Luisa genießen es sichtlich in der Sonne zu sitzen und dem Treiben zuzuschauen.



Da wir Hugo Mill Schule nicht genügend Computer haben um unter der Woche alle Schüler zu unterrichten, findet Samstags ein zusätzlicher Kurs statt. Die Schüler sind sehr eifrig, sie wissen genau, dass dies für sie eine große Chance ist entsprechende Fähigkeiten erwerben zu können. Auch hier in Tansania werden zukünftig Computerkenntnisse entscheidend sein im beruflichen Leben.



Heute war besonders viel los, denn unsere Schüler haben am Dienstag und Mittwoch ihre staatliche Jahresprüfung und sind alle da, um noch einmal zu üben.
Am Nachmittag ist Pfarrer Anicet in Moshi bei einem meeting mit dem Bischof, wir drei sind heute alleine im Pfarrhaus. Unseren Nachmittagskaffee können wir aber auch alleine geniessen.



Anneliese hatte dann noch ein Treffen mit Isaac, der neben seinem Job als Englischlehrer zukünftig auch die Bücherei leiten wird.



Das Leben ums Pfarrhaus herum ist sehr interessant und abwechslungsreich, alle die bei ihrer täglichen Arbeit gerade vorbeikommen wollen uns begrüßen, es ist ständig was los. Meistens sind es Frauen, sie haben ja auch die Last des Alltags zu bewältigen. Ob Brennholz geholt werden muss oder Wasser, alles wird auf dem Kopf getragen.





Am späten Nachmittag, nachdem Anicet vom Bischof zurückgekommen ist haben wir noch eine Sitzung unseres Schulauschusses (school board), bei dem die Weichen für das kommende Jahr gestellt werden sollen.



Es war eine schwierige Sitzung, denn es gab einige heikle Themen zu bearbeiten. In der letzten Zeit gab es immer wieder Beschwerden von Eltern und Schülern über einen unserer Lehrer. Es wurden nicht nur seine fachlichen, sondern auch seine pädagogischen Fähigkeiten bemängelt und da sowohl der Schulleiter John Shao (Mitte), als auch Pfr. Anicet dies bestätigten wurde beschlossen, ihm eine Bewährungsfrist bis Ende des Jahres zu geben, wenn er sich nicht ändert muss er leider entlassen werden. Dies ist notwendig, denn hier in TZ leben die Schulen von ihrem guten Ruf. Ist der beschädigt ist es schwer Schüler zu finden. In unserem Fall ist es glücklicherweise so, dass sich sehr viele Schüler anmelden, auch viele, die weiter entfernt wohnen. Deshalb werden wir ab 2012 eine boarding school werden, daheim würden wir es Internat nennen. Dazu wird ein Haus angemietet, in dem die Berufsschüler zusammen mit einer Lehrkraft wohnen werden. Die Kosten werden von den Eltern getragen. Dies ist hier üblich und deshalb nichts besonderes, aber für uns ist es ein weiterer großer Schritt eine gute Berufsschule zu werden! Mehr zum school board meeting später.


Sonntag, 30.10.

Sonntag ist Gottesdiensttag, die 3 Messen in der Pfarrei sind alle voll, der Kirchgang gehört hier zur Pflicht. Die Kirche steht geographisch genau in der Mitte der Pfarrei, bis zu 8 km weit laufen Alt und Jung zum Gottesdienst. Heute haben sie Glück, denn es scheint schon früh die Sonne, aber das Wetter hält niemand davon ab, es gehört einfach dazu. Zumal die Messe nicht nur Gottesdienst ist, sondern auch die Zeit um Mitteilungen unter die Bevölkerung zu bringen. Es gibt hier oben keine Zeitung, also übernimmt der Pfarrer oder jemand aus der Gemeinde die Weitergabe von Informationen.. Heute gab es z.B. eine Ankündigung mit Wortmeldungen zur anstehenden Renovierung der Kirche. Sie ist außen etwas heruntergekommen und Pfarrer Anicet möchte sie neu streichen, natürlich soll die Farbe verwendet werden, in der auch unsere Schule gestrichen ist. Dadurch wird dem gesamten Platz ein einheitliches Aussehen gegeben. Es werden aber auch Mitteilungen ganz anderer Art verkündet, so z.B. der Hinweis darauf, dass einer bestimmten Person in der Gemeinde bitte kein Alkohol mehr gegeben werden soll, da diese bereits öfters den Heimweg nicht mehr geschafft hat und gefährdet ist. Die Gottesdienste haben damit auch ein soziale Funktion die Gemeinde zusammenzuhalten.
Nach der Messe ist es für uns immer Pflicht sich draußen sehen zu lassen. Trotz des oftmals langen und steilen Heimweg nimmt man sich die Zeit um einen einen sonntäglichen Plausch zu halten.



Viele kommen um uns zu begrüßen und uns zu versichern, dass wir natürlich längst schon „eingemeindet“ worden sind. Ich werde nur mit Mr. Tombolo begrüßt, dem Namen des Clans von Pater Christian, dessen Mutter mit ihren 74 Jahren mit ihrem Sohn Joseph noch regelmäßig zum Gottesdienst läuft.



Wir fühlen uns sehr heimisch hier, die Leute respektieren unser Engagement das der Pfarrgemeinde, v.a. durch die Photovoltaikanlagen einen wesentlichen Fortschritt gebracht hat.
Nach der Messe haben wir den neuen Lehrer und Büchereileiter Isaac bestellt, ich wurde vom school board beauftragt die Einstellungsgespräche zu führen. Ich glaube, dass wir mit ihm eine gute Wahl getroffen haben, er wird für unsere Berufsschule eine Bereicherung sein.

Für uns ist es inzwischen Pflicht am Sonntag Nachmittag zu den Tombolos zu gehen. Sie wohnen auf ca. 2000 m am Rande des Kilimanjaro Nationalparks. Wie es in den Bergen halt so ist wurden wir von einem starken Monsunregen überrascht, der binnen Minuten die Wege in Schlammpfade verwandelt. Den Kindern ist das egal, im Gegenteil, da können sie am Wasser spielen.



Die Landschaft hier oben ist sehr schön. Eine tiefe Schlucht wurde von den Wassern des Kilimanjaros ausgewaschen, alte, sehr hohe Bäume prägen die Landschaft. Was hier auffällt ist die totale Stille, es ist richtig erholsam.



Es war bereits dunkel als wir uns wieder auf den Weg hinunter in die Pfarrei machen. Auch das ist auffällig: es ist stockdunkel, es gibt keine „Lichtverschmutzung“, ohne Taschenlampe könnte man die holprigen Wege nicht begehen. Da wir morgen in aller Frühe abreisen ist ein Abschiedsbier „im Shop“ der Pfarrei obligatorisch.


Montag, 31.10 und Dienstag 1.11.

Um 5:00 Uhr früh fahren wir zum Flughafen, wir haben die erste Maschine nach Dar es Salaam gebucht. Um diese Zeit sind schon viele auf dem Weg zu ihrer Arbeit. Die meisten laufen den weiten Weg nach Marangu ((10 km) oder nehmen das erste Daladala (Kleinbus), die Fahrt kostet 500 TShs (= ca. 25 Cent). Schon morgens ist es warm, aber als wir in die Tiefebene kommen hat es bereits 25 °C, obwohl es noch nicht einmal hell ist. Das werden noch heisse Tage in Dar es Salaam und Turiani. Ambros, ein Freund aus Dar hat uns sein Auto geliehen und wir fahren zu zweit die ca. 400 km nach Turiani, wo die Familie von Annelieses Patenkind wohnt. Neema, die Mama, hat im September ihr 3. Kind bekommen, da wollen wir gerne einen Besuch abstatten.
Die Fahrt dorthin geht zunächst über Teerstraßen, die letzten 100 km sind aber Sandpiste, deshalb brauchten wir mit einer kurzen Pause insgesamt 6 Stunden. Das Fahren auf Tansanias Strassen gehört zu den gefährlichsten Unternehmungen. Es passieren viele Unfälle, oft mit tödlichem Ausgang. Die zahlreichen Busse, deren Fahrer immer unter Zeitdruck stehen, überholen ohne Rücksicht auf Verluste. Da heißt es lieber abbremsen wenn einer entgegenkommt! Wenn man dann mal selbst einen LKW überholt muss man aufpassen wo man das tut, denn wird man von der Polizei erwischt heißt es Strafe zahlen. Wir hatten auf der Hin- und Rückfahrt 2 entsprechende Erlebnisse, die ich hier kurz schildern möchte, da sie etwas über die Gesellschaft hier aussagen. Polizisten gehören zu den Geringverdienern im Staatsdienst, ein Polizeibeamter erhält ca. 240.000 TShs pro Monat (ca. 100 €). Es ist daher kein Wunder, dass sie versuchen ihr Gehalt aufzubessern, denn davon kann man nicht einmal hier eine Familie ernähren. Sie halten gerne Busse an und geben vor die Anzahl der Reisenden zu kontrollieren. Bevor sie aber den Bus betreten bekommen sie mit den Fahrzeugpapieren einige Scheine zugesteckt, der Bus wird weiter gewunken. Ich habe an einer durchgezogenen Linie in einer 50er Zone einen vollbeladenen, extrem langsamen LKW überholt und bin natürlich angehalten worden. „2 offenses! Shillingi elfu sitini! “ (2 Verstösse! 60.000 Schillinge) sagte er recht aggressiv zu mir und hat nach meinen Papieren gefragt. Ich bin ausgestiegen und habe ihm das Geld gegeben, aber eine Quittung verlangt. Zunächst sollte ich den Namen aufschreiben, den er aber nicht lesen konnte. Seine Begleiterin hatte schon begonnen die Quittung herzurichten, als sie dann getuschelt haben. Er hat mir einige meiner Scheine zurückgegeben und gesagt: go! Hätte ich eine Quittung erhalten, hätten sie selbst nichts behalten können, so bin ich mit der Hälfte der Strafe davon gekommen.

Turiani liegt in einer Tiefebene und ist der fruchtbarste Teil Tansanias. Riesige Reisfelder, Teakholz- und Zuckerplantagen bestimmen die Landschaft. Leider gehört das alles nur ganz wenigen Großgrundbesitzern und Konzernen, sodass die Bevölkerung nur sehr wenig von dem fruchtbaren Boden hat. Die Stadt hat ungefähr 15000 Einwohner und ist ein wichtiges Zentrum in dieser Gegend, trotzdem ist die Infrastruktur sehr unterentwickelt. Die Hauptstraße ist eine „rough road“, wenn es regnet ist es eine einzige Schlammstrasse.



Dies ist recht typisch für Tansania, Entwicklung ist in den ländlichen Gegenden nur schwer zu erkennen.
Die Familie von Baltazar hat sich sehr über unseren Besuch gefreut, am meisten die kleine Lisa. Sie ist das Patenkind von Anneliese, die hier nur Bibi Mzungu (Weiße Oma) heißt, was durchaus eine Wertschätzung ist, denn die Bibi wird in den Familien hoch geachtet.




Baltazar ist Schulleiter des hiesigen Gymnasiums, hat es aber schwer seinen Alltag zu bestreiten. Er verdient gerade mal 380.000 TShs (ca. 158 €). Sein Sohn Baraka ist durch Sauerstoffmangel während der Geburt schwer körperbehindert, die Familie selbst könnte aus eigener Kraft nichts für ihn tun.



Mein Schwager Karlheinz und ich unterstützen deshalb die Familie und ermöglichen Baraka seit 2 Jahren die Teilnahme an einer entsprechenden Therapie in Dar es Salaam, ohne die der Junge keinerlei Chancen auf eine menschenwürdige Entwicklung hätte. Er hat unglaubliche Fortschritte gemacht! Für ihn ist auch der Rollstuhl gedacht, den wir mitgenommen haben. Die Eltern sind verständlicherweise sehr froh darüber, dass die kleine Linda putzmunter und gesund ist.



Der Besuch in Turiani war sehr schön und wir sind froh, dass wir ihn gemacht haben, auch wenn die Fahrerei sehr anstrengend und nervig ist. Auf der Rückfahrt hatten wir die schon erwähnte 2. Polizeikontrolle. Wieder habe ich beim Überholen eines ganz langsamen Schwertransporters eine durchgezogene Linie überfahren, wie mindestens 5 Autos mit mir. Wir wurden alle angehalten, selbe Prozedur: der Polizist sagt „1 offense! 30 000 or 20 000 Shilling!“ Alleine die widersprüchlichen Beträge zeigten, dass er die Strafe selbst einstecken wollte. Diesmal habe ich mich blöd gestellt, als ob ich nichts verstehen würde. Ich bin ausgestiegen und wollte meinen Führerschein aus dem Kofferraum holen, habe mich aber umgedreht und gesagt „I call Minister“. Dann habe ich das Handy genommen und so getan als ob ich telefonieren möchte. Während ich auf Verbindung warte und nicht reagiert habe sagte er nach einer kurzen Zeit er von sich aus: Go! und alles war erledigt. So etwas ist hier an der Tagesordnung, die Leute ärgern sich sehr darüber.
Auf jeden Fall waren wir froh am späten Nachmittag wieder wohlbehalten in Dar angekommen zu sein!