Nachruf




Am frühen Morgen des 5.1. verstarb in Heidenfeld im Kreis ihrer Familie und ihrer Mitschwestern unsere liebe Schwester und Tante Lioba Friedel wohl vorbereitet nach einer langen Krankheit. Obwohl ihr Leben in den letzten 10 Jahren ihres Lebens krankheitsbedingt sehr eingeschränkt war, verlor sie nie das Interesse an ihrer langjährigen Heimat Tansania. Im Gegenteil, immer wenn sie von dort Besuch oder Post bekam lebte sie auf. Mit großem Interesse verfolgte sie das Engagement unserer Kinderhilfe Tansania, die ohne sie nie entstanden wäre. Es machte sie auch sichtlich stolz, dass der neue Lehrkindergarten des Montessori Training Centers nach ihr benannt wurde. Dass die, in der Mehrzahl afrikanischen Mitschwestern den Namen St. Lioba auswählten zeigt deutlich, welchen nachhaltigen Einfluss ihr langjähriges Wirken bis heute hat. Bei allen Menschen, die sie gekannt haben öffnen sich für mich die Türen, wenn ich mich in Tansania als "Neffe von Sr. Lioba" vorstelle und ich werde freundlich empfangen.

Sie wurde am 14.9.1928 in Frammersbach geboren und auf den Namen Helene getauft. Sie wuchs zusammen mit 6 Geschwistern auf. Schon sehr früh wurde sie im Schneiderbetrieb ihres Vaters Jakob eingebunden und engagierte sich auch in der Pfarrgemeinde als Jugendleiterin. Mit ihrer Gitarre und dem kreativen Einsatz konnte sie die Mädchen während der Kriegsjahre in den Gruppenstunden begeistern. Mit 19 Jahren trat sie in den Orden der Erlöserschwestern in Würzburg ein, wo sie am 3. Mai 1952 ihre Erstprofess ablegte. Nach ihrer Ausbildung zur Handarbeitslehrerin war sie zunächst in den Volksschulen in Haibach und Goldbach tätig. Als die Kongregation der Schwestern 1958 einen Missionsauftrag erhielten war sie sofort begeistert. Nach einigen Monaten der Vorbereitung in England trat sie bereits im Juli 1960 die mehrwöchige Schiffsreise nach Tansania an. In der islamischen Region Mtwara baute sie zusammen mit anderen Schwestern in Luagala eine Haushaltungsschule auf, in der sie die ersten Jahre tätig war. Viele Mädchen konnten dort eine Ausbildung machen, Sr. Lioba war ihnen eine treue und fürsorgliche Begleiterin. Einige von ihnen sind heute selbst Lehrerinnen und betonen mir gegenüber immer wieder, wie wichtig die Impulse von Sr. Lioba für ihren Lebensweg waren. Auch ich bin damals, so wie wahrscheinlich alle meine Cousins, fasziniert worden von dem afrikanischen Land. Die Luftpostbriefe mit den bunten Briefmarken, kleine Schnitzereien und Erzählungen nahmen mich als Kind gefangen. Für uns war ihr erster Heimaturlaub 1967 ein großes Ereignis. 1970 wurde sie von den Schwestern in Tansania zur Regionaloberin gewählt. Leider musste sie 1972 wegen einer tückischen Tropenkrankheit nach Deutschland zurückkehren. Sie ließ sich aber nicht entmutigen und nutzte die Zeit für eine Ausbildung als Altenpflegerin. Von 1973 - 79 war sie Leiterin des Annastifts, einem Heim für Senioren in Würzburg. Anschließend leitete sie für 3 Jahre das Erholungshaus Maria Amalie in Bad Kissingen, um dann Oberin in der Fachakademie für Sozialpädagogik St. Anna zu werden, wo unsere Schwester Lissi ihre Ausbildung zur Erzieherin machte.

1986 konnte sie endlich wieder zurück nach Tansania, wo sie in der neuen Pfarrei St. Paul in Mtwara die Frauenarbeit aufbaute. Ihr dort begonnenes Werk lebt bis heute weiter, denn diese Pfarrei ist der wichtigste Projektpartner unserer Kinderhilfe Tansania. Auch Martin Büdel verbrachte seine 15 Monate als Missionar auf Zeit dort.

Bei der nächsten Wahl zur Regionaloberin wurde Sr. Lioba wieder gewählt. Ihre Vision war es, durch Aufnahme von tansanischen Frauen in die Kongregation die Missionsarbeit weiter zu entwickeln, um langfristig selbstständig werden zu können. Leider musste sie 1995 aus gesundheitlichen Gründen das Land wieder verlassen. So konnte sie nicht mehr selbst vor Ort erleben, wie ihre Vision Wirklichkeit geworden ist, denn im Herbst 2006 wurde mit Sr. Tadea die erste Afrikanerin zur Regionaloberin gewählt. Nach und nach verbesserte sich Liobas Gesundheitszustand und so konnte sie im Juni 2003 noch den 70. Geburtstag ihres Bruders Bruno (mein Vater) zusammen mit ihren Geschwistern in einer lustigen Runde feiern. Am 5. Juli erlitt sie einen schweren Schlaganfall, von dem sie sich bis zu ihrem Tod nicht mehr erholte. Sie musste die letzten Jahre ihres Lebens rechtsseitig gelähmt im Bett verbringen. Dies war für sie sehr schwer, da sie geistig völlig gesund war, aber unfähig zu sprechen. Geduldig ertrug sie ihr Schicksal bis zuletzt.

Mit Sr. Lioba verlieren wir eine starke Frau, die mit ihrer Hilfsbereitschaft, ihrer Offenheit und ihrer Tatkraft vielen Menschen wegweisend war. Tante Schwester, wie wir sie nannten, war seit meiner Kindheit immer ein Vorbild für mich, ihr Wirken hat mein Leben stark geprägt. Für die Kinderhilfe Tansania war sie stets ein Rückhalt. Ihr Lebenswerk in Tansania bleibt auch weiterhin eine Motivation uns in ihrem Sinne zu engagieren.

In Dankbarkeit
Werner Friedel